Der Gedanke ist faszinierend. Nie mehr heizen. Oder zumindest nur mehr einen Bruchteil dessen, was heute notwendig ist. Selbst im Winter. Zukunftsmusik, klar. Aber auch nicht gänzlich abwegig. Davon ist jedenfalls Franz Freundorfer überzeugt. Der Bayer entwickelt für diverse renommierte Fensterhersteller unterschiedliche Projekte. Daneben gibt er seit Jahren Schulungen in den Spezialgebieten Fensterbau, Bauphysik, Passivhaus und Passivhausprojektierung. Sein eigenes Haus bezeichnet er gerne als "Solar-Porsche". Er weiß also, was Sache ist. Und welche Trends sich im Fensterbereich abzeichnen. Nie mehr heizen also – was ist an dieser These dran? "Wir werden künftig den Heizbedarf alleine mit den Außenfenstern decken können", prophezeit er. Möglich werde das durch ein Zusammenspiel aus ultradünnen Scheiben und neuen, superschmalen Rahmen.

Was steckt dahinter? Das klingt interessant. Aber: Weniger heizen mit noch weniger Fenstermaterial? Wie passt das zusammen? Freundorfer erklärt es so: "Glas ist ein wunderbarer Werkstoff, aber der g-Wert ist bislang eher beschränkt", sagt der Experte. Mit dem g-Wert ist der Energiedurchlassgrad gemeint – wie viel Sonnenenergie also den Innenraum erreichen und somit wärmen kann. Mit dem neuen dünnen Glas ließe sich eine höhere "solare Ernte" einfahren, wie Freundorfer es nennt. Zum Vergleich: Heute sind Gläser mit einer Dicke von vier Millimetern üblich. Mit der neuen Technologie der Dünngläser sind Maße von einem Millimeter und noch weniger möglich, ähnlich einem Blatt Papier. "Wenn man so eine Scheibe in der Hand hält, wird man nervös", scherzt Freundorfer. "Sie ist von der Beschaffenheit her äußerst flexibel und dennoch extrem widerstandsfähig." Im Einsatz ist diese Art der Gläser bereits schon länger im Bereich der Monitore oder Mobiltelefone.

Schwierige Herstellung. Der Weg zu so einem Dünnglas ist aufwendig und komplex, er erfolgt über spezielle Härtungsverfahren. "Die Scheiben werden auf Maß geschnitten, erhitzt, wieder aufgeweicht – komplizierte Prozesse, die bewirken, dass ein neues Gebilde entsteht", erklärt der Passivhaus-Fachmann. Noch ein Vorteil ist das geringere Gewicht: Je dünner das Glas, umso weniger wiegt es. Ohne einen effizienten Rahmen nützt aber auch das dünnste Glas nichts. "Für einen Planer ist der Rahmen immer das größte Übel in der Gebäudehülle", sagt Freundorfer. Denn hier gehe am meisten Wärme verloren. "Der Energieverlust über die Rahmen war bislang oft zehnmal so hoch wie über die Wände", erklärt der Experte.

Beeindruckende Werte Aber auch das ändert sich. Am besten sieht man das beim verbesserten Wärmekoeffizient (UWert) neuer, schmälerer undleichterer Rahmen. Der Koeffizient drückt aus, welche Leistung pro Quadratmeter benötigt wird, um eine Temperaturdifferenz von einem Kelvin aufrecht zu erhalten. Während heute noch U-Werte rund um zwei gängig sind, sollen künftig 0,1 bis 0,15 nicht nur realistisch, sondern bald Standard sein. Auch die Gesamtstärke der Fenster werde sinken. "Von derzeit etwa 48 Millimeter auf unter 20." Die größte Hürde sei es gewesen, so Freundorfer, erst einmal die Technologie zu entwickeln und bereitzustellen. Das sei mittlerweile passiert. Jetzt müsse sie auch Eingang in den Isolierglasbereich finden. Vierfachverglasung mit Dünnglas könnte dann zum Trend werden. Vorausgesetzt natürlich, die Industrie schafft es, diese verbesserten Produkte auf ein Preisniveau zu bringen, dasssich auch "Normalkunden" leisten können. Wobei der Fenster-Experte aus Oberaudorf in Bayern bei aller Zukunftseuphorie etwas bremst: "Man weiß eben nie, wie lange all diese Entwicklungsprozesse letztlich dauern." Und: "Auch, wenn die Kosten fürs Heizen sinken werden, jene für den Warmwasserbedarf werden uns natürlich erhalten bleiben."