FRAGE: Mein Nachbar pflanzte vor Jahren einen lebenden Zaun. Inzwischen ist dieser eine undurchdringliche Fichtenwand von circa vier Metern Höhe; die starken Äste ragen weit in meinem Grundstück herein. Um diese zu schneiden, würde man eine Motorsäge brauchen. Wie ist die Rechtslage?

ANTWORT: Nach nunmehr neuer, aber bereits gesicherter Rechtsprechung ist ein Immissionsabwehranspruch (§ 364 ABGB) durch das Recht der Selbsthilfe im Sinne des § 422 ABGB jedenfalls dann nicht mehr ausgeschlossen, wenn die Beeinträchtigung die ortsübliche Benutzung des eigenen Grundstückes wesentlich beeinträchtigt und einen unzumutbaren Zustand herbeiführt, der nicht durch eine leichte und einfache Ausübung des Selbsthilferechtes beseitigt werden kann. Eine Verpflichtung des Nachbarn, die in das Grundstück Ihres Lesers hineinragenden Äste zu entfernen oder die Fichtenhecke in der Höhe zu begrenzen, könnte nur dann abgeleitet werden, wenn diese Bedingungen erfüllt sind. Dabei wird von einem objektiven Maßstab und nicht von den subjektiven Verhältnissen ausgegangen.
Ob diese Bedingungen hier vorliegen, lässt sich nicht abschließend beurteilen, zumal aufgrund der relativ neuen Rechtsentwicklung nur wenige Entscheidungen in Detailfragen vorliegen. In der Fachliteratur wird teilweise der Standpunkt vertreten, dass das Selbsthilferecht dann leicht ausgeübt werden kann, wenn es dabei der Verwendung von Motorsägen und höheren Leitern nicht bedarf.