Bauhütten sind oft so aufgestellt, dass man die Verkehrszeichen nur noch schlecht sieht. Ist man in diesem Fall von der Schuld an einem Unfall befreit?

ANTWORT: So generell kann man das sicher nicht sagen, aber eine Mitverantwortung für den Aufsteller eines sichtbehindernden Objekts kann man unter Umständen annehmen. Dazu gibt es eine OGH-Entscheidung (2 OB 212/13k), die kürzlich ergangen ist. Die Verletzung einer Auflage im behördlichen Bewilligungsbescheid für die Straßenbauarbeiten führte zu einer Fehleinschätzung der Vorrangsituation durch die benachrangte Autolenkerin.

Haftung des Bauunternehmens

Der Oberste Gerichtshof bejahte die Haftung des Bauunternehmers im Umfang von 50 Prozent für den von ihr bei dem nachfolgenden Unfall erlittenen Schaden.

Vorrangzeichen verdeckt

Die Frau näherte sich einer ihr unbekannten Kreuzung. Vor dieser war am rechten Fahrbahnrand ein „mobiler Baucontainer“ so abgestellt, dass er die Sicht auf das dahinter angebrachte Vorrangzeichen für einen sich nähernden Fahrzeuglenker zunächst vollständig verdeckte. Die Klägerin ging davon aus, dass ihr der Rechtsvorrang zukomme. Sie richtete an der Kreuzung ihre ganze Aufmerksamkeit nach rechts und übersah daher das von links kommende bevorrangte Fahrzeug.

Schadenersatz

Das Vorrangzeichen hätte sie erkennen können, wenn sie den Container mit Schrittgeschwindigkeit passiert und unmittelbar danach zum rechts gelegenen Gehsteig geschaut hätte. Sie begehrte von dem Bauunternehmer den Ersatz ihres Schadens.

Schutznorm verletzt

Der Oberste Gerichtshof entschied aufgrund der Revision der Klägerin mit Teil- und Zwischenurteil im Sinne der Verschuldensteilung des Erstgerichts. Er hielt fest, dass es sich bei der im Bescheid enthaltenen Auflage um eine Schutznorm handelte, deren Schutzzweck auf die Hintanhaltung der von den Straßenbauarbeiten ausgehenden Gefahren gerichtet war. Der beklagte Bauunternehmer hat diese Schutznorm verletzt, indem seine Leute den „mobilen Baucontainer“ nur 2,5 m vor dem Vorrangzeichen abstellten, sodass dieses für einen sich nähernden Fahrzeuglenker zunächst völlig verdeckt war, und den Container außerhalb der Arbeitszeit dort stehen ließen.

Besondere Vorsicht

Der Klägerin ist jedoch vorzuwerfen, dass sie bei Annäherung an die ihr unbekannte Kreuzung der Sichteinschränkung nicht durch besondere Vorsicht und Aufmerksamkeit Rechnung trug. Nach Gegenüberstellung des beiderseitigen Fehlverhaltens hielt der Senat die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensteilung für sachgerecht.