Advent 2017. Florentina, fünf Jahre alt, am Früh­stücks­tisch: „Mami, ich wünsch’ mir heuer ganz viel zu Weihnachten und dafür weniger zum Geburtstag. Weil die Weihnachtsgeschenke kauft ja das Christkind und die Geburtstagsgeschenke müssen die Eltern bezahlen.“ Das war süß. Zumindest als Plan. Der ist dann im Endeffekt daran gescheitert, dass ihr beim Wunschzettel-Schreiben partout nichts eingefallen ist, das ihr wichtig genug erschienen wäre, um das Christkind damit zu belästigen. Alles, was sie braucht und vieles, das sie sich wünscht, bekommt sie nämlich sowieso. An einem stinknormalen Dienstag zum Beispiel.

Ich hab’ ihr dann halt ein paar Sachen gekauft, über die sie sich „eh gefreut“ hat. Als tendenziell besorgte Mutter fragt man sich aber schon, ob hier etwas entweder ganz schrecklich falsch oder im Gegenteil vielleicht sogar ziemlich richtig läuft. Ist meine Tochter ein tragisches Opfer unserer Konsumgesellschaft oder ist sie einfach wunschlos glücklich? Licht ins Dunkel kam dann im Mai anlässlich des 6. Geburtstags. Sie wünschte sich mit dem Papa reiten zu gehen und mit der Mama gemeinsam zu musizieren. Das erfüllen wir liebend gerne – regelmäßig. Und die Weihnachtswünsche für 2018? Ein Schleich-Glitzer-Einhorn mit Regenbogenflügeln und im Frühling wieder nach Venedig zu fahren.

Imelda Baierl-Melmer mit Tochter Florentina
Imelda Baierl-Melmer mit Tochter Florentina © KK

Große Träume – Stichwort Smartphone – werden in den nächsten Jahren bestimmt auftauchen. Bis dahin freue ich mich darüber, dass mich meine Sechsjährige daran erinnert, ­wo­rum es in der Weihnachtszeit, und eigentlich im ganzen Leben gehen sollte: Liebe, Zeit und Aufmerksamkeit.
Imelda Baierl-Melmer

Man hat es wahrlich nicht leicht als Zehnjähriger (und das meine ich ganz ehrlich), um heutzutage mit seinen Klassenkameraden und Freunden kommunikationstechnisch kompatibel zu bleiben. ­Irgendeiner hat mit Sicherheit das neueste Smartphone – oder kann wenigstens ganz glaubhaft verkünden, dass er endlich die Klippe „Eltern“ überwunden habe und er sicher das Traumding bekommen werde, um das ihn alle beneiden würden. Die neueste Spielekonsole, das geniale Computerspiel, ein eigener Laptop, ein Tablet … das sind die heutigen Hardware-Währungen, die unter Kids über cool oder uncool entscheiden.

Ich kann und will die Zeit gar nicht zurückdrehen, als für mich ein Paar neue Ski, die erste LP von den Stones oder ein Fünf-Freunde-­Sammelband das Maß der Dinge unter dem Christbaum waren. Mein Sohn liebt Bücher, analog wie ­digital, und ist zu unserer Freude eine richtige Leseratte – aber wer bei Gleichaltrigen punkten möchte, setzt doch besser auf High-Definition, Terrabytes, ­Alexa oder Prozessorleistung. Wen wundert’s, dass sich deshalb bei ­meinem Sohn schon über die ­Monate vorm Fest die Ideen und Wünsche – besser gesagt die „Must Haves“ – fürs Christkind zu stapeln beginnen. Der hat das, der darf das, das ist doch ­total altmodisch …

Christian Kössler mot Sohn Niklas
Christian Kössler mot Sohn Niklas © KK

Wie meine Frau und ich damit umgehen? Beim ­Gestalten einer schönen Zeitungsseite gibt es eine einfache Regel: Sie braucht etwas Großes, den Aufmacher, und dazu, fein gewürzt, Kleines. Das, so finden wir, ist auch für Weihnachten kein schlechtes Prinzip. Ein großes Ding, das man einfach haben muss, und dazu ­kleine Geschenke, mit denen wir auch überraschen wollen. Und Bücher, denn eine ­Leseratte braucht schließlich regelmäßig Futter.
Christian Kössler