Eine Künstlerin, die sich gern „outet“

Anita Fuchs war schon immer im Grünen zuhause. Sie wuchs auf dem Land auf, mit vielen Geschwistern und wenig Platz im Haus. Wenn es zu hektisch wurde, war ihr Rückzugsort die Natur, für sie eine heile Welt ohne Probleme, ein Spiel- und Erfahrungsraum.
Geprägt durch ihre Kindheit wurde die Natur die bestimmende Konstante im Schaffen der Künstlerin. Fuchs sammelt Pflanzen, Steine und Fossilien und verarbeitet ihre Funde auf verschiedene Arten: Sie fotografiert, trocknet Pflanzen, zeichnet oder arbeitet an Skulpturen. „Ich gehe gleich dorthin, wo meine Kunst passiert. Es wäre widersinnig, alles einzusammeln und in die Stadt zu bringen“, so die Künstlerin. Darum hat sie mithilfe ihres Kunstraum-Steiermark-Stipendiums und in Kooperation mit dem Kunsthaus Graz eine „Field Station“ errichtet, angelehnt an Outdoor-Forschungsstätten für Biolog:innen. Dieser drei mal drei mal zwei Meter kleine Quader nahe der steirisch-slowenischen Grenze zwischen Bad Radkersburg und St. Anna am Aigen dient der Künstlerin als Lager, Ausstellungs- und Aufenthaltsraum. Gearbeitet wird hauptsächlich im Freien.


Kunst und Wissenschaft sind für Fuchs, die auch Biologie studiert hat, eng miteinander verbunden. „Es wäre nur die halbe Wahrheit, wenn ich mich mit Boden, Erde, Pflanzen, Luft und Klima beschäftige, ohne mich mit jemandem auszutauschen, der über Fachwissen verfügt“, meint die Kunstschaffende. Ihre Arbeiten haben stets eine Botschaft, die sie über den Weg der Pflanzen und der Natur transportieren möchte. Neben naheliegenden Themen wie Umweltschutz möchte Fuchs auch historische und politische Ereignisse ansprechen. Ein Beispiel ist die Naturwiese, die sie für das Grazer Kulturjahr vor der Grazer Oper angelegt hat. „Hier geht es um Stadtplanung, aber auch um das Insektensterben und darum, wie wir die Natur in die Stadt bringen können“, sagt Fuchs.

Identität, Verlust und Verarbeitung

Carolina Sales Teixeiras Kunst ist geprägt von persönlichen Einflüssen. Dass sie sich in der Vergangenheit mit Kartografie beschäftigt hat, ist ihrer ungewöhnlichen Biographie geschuldet. „Bewegung war immer ein Teil meines Lebens“, sagt die in Mosambik geborene Fotografin und Malerin. Aufgewachsen ist sie auf den Azoren, studiert hat sie auf dem portugiesischen Festland, seit einigen Jahren lebt sie in Österreich. „Diese besondere Situation ist die Wurzel meiner künstlerischen Praxis“, sagt Carolina Sales Teixeira, die vorrangig mit abstrakter Malerei und analoger Fotografie arbeitet.


Persönlich ist auch der Anlass für ihr aktuelles Projekt: Kürzlich verstarb die Mutter der Künstlerin in Portugal, Carolina Sales Teixeira verarbeitet diese Erfahrung nun in einer vierteiligen Ausstellungsreihe mit dem Titel „Über die Vergänglichkeit des Seins“, die sich verschiedenen Aspekten des Lebens und Sterbens widmet.


Das erste „Kapitel“, wie die Künstlerin die Teilausstellungen nennt, wurde bereits im Juni 2021 in Gleisdorf ausgestellt, Teil zwei im Februar 2022, die zwei weiteren werden im Laufe der Jahres 2022 folgen. Carolina Sales Teixeira stellte für das Kapitel „Unvermeidbarer Zusammenbruch“ analoge Fotos der letzten Blumen aus, die ihre Mutter vor ihrem Tod gesehen hatte, und zeichnete die Namen von Palliativmedikamenten in Blindenschrift ab – zweidimensional und damit nicht mehr greifbar, wie eine Erinnerung an Berührungen, die nach dem Tod nicht mehr möglich sind. Am Ende der Ausstellungsreihe sollen sich die Einzelteile zu einem großen Ganzen verbinden.