"Game of Thrones“ gilt als eine der erfolgreichsten Serien weltweit. Was macht den Reiz der Serie aus?
LIAM CUNNINGHAM: Das ist eine einfache mathematische Formel: Man hat einen fantastischen Autor wie George R. R. Martin, der diese komplexe Welt erschaffen hat. Mit all diesen widersprüchlichen Charakteren. Es ist nicht so, dass der Gute einen weißen und der Böse einen schwarzen Hut trägt. Hinzu kommen großartige Leute am Set, die ihre Rolle spielen, ohne das Publikum zu bevormunden. Als ich das Skript gelesen habe, hat mir gefallen, dass es nicht einfach das übliche Mann-bekommt-Probleme-und-kommt-wieder-raus-Ding ist.

Ein Beispiel für einen dieser widersprüchlichen Charaktere?
CUNNINGHAM: Nehmen wir Jamie Lannister. Alle haben ihn in der ersten Staffel gehasst. Er war ein egoistischer, mit seiner Schwester Inzest treibender Typ, aber man sah seine Verwandlung während der darauffolgenden Staffeln. Die Sympathie für ihn ist gewachsen. Genau das mag ich an der Serie, sie bietet immer wieder Überraschungen. Es ist eine wunderschöne Art, Geschichten zu erzählen.

Die Fans lieben den unaufgeregten Ser Davos. Was macht ihn aus?
CUNNINGHAM: Er ist einer der wenigen verlässlichen Kerle in der Show. Aber man darf nicht vergessen, das ist „Game of Thrones“ und Ser Davos kann immer noch zum verdammten Massenmörder werden (schelmisches Grinsen). Aber wir sollten nicht vergessen, Menschen können furchtbare Dinge aus den richtigen Gründen tun. Ser Davos ist so etwas wie das Gewissen der Serie. Es ist wichtig für die Show, auch solche Typen dabeizuhaben.

Gibt’s gar nichts an der Figur des Ser Davos zu kritisieren?
CUNNINGHAM: Er muss sich definitiv mehr um sein Überleben kümmern. Denn wenn Stannis (Anm.: Stannis Baratheon, Davos’ „Chef“) zu ihm sagt: „Du hast nicht viel, wofür es sich zu leben lohnt“, da antwortet Davos zu ehrlich: „Nein, nicht wirklich.“ Und so was kann dich schon in die Sch. . . reiten.

Was haben Sie mit Ser Davos gemeinsam?
CUNNINGHAM: Ich wäre schon gerne Ser Davos. Er ist ein Mensch mit Rückgrat und Moral. Und sind das nicht Eigenschaften, die wir uns alle wünschen? Außerdem ist er einer der wenigen, der sich klar zu sagen traut: „Das ist nicht richtig.“ In diesem Sinne ist er schon sehr mutig.

Viele Schauspieler, die bei „Game of Thrones“ mitwirken, fürchten sich beim Lesen des Skripts, dass ihre Figur den baldigen Serientod sterben muss. Kennen Sie dieses Gefühl?
CUNNINGHAM: Ich versuche, es wie das Leben zu sehen. Da denken wir ja auch nicht ständig darüber nach, ob uns nun der Chef feuert oder das Haus einstürzt. Wenn die drei Götter, Autor George R. R. Martin und die Produzenten David Benioff und Dan B. Weiss, entscheiden, dass sie mich nicht mehr mögen – dann werde ich einfach sterben. Da bin ich machtlos und sie haben alle Macht über mich.

Die Dreharbeiten finden in mehreren Ländern und auf zwei Kontinenten zur gleichen Zeit statt. Wie bewahrt man als Schauspieler den Überblick?
CUNNINGHAM: Die wirklich empfehlenswerte Dokumentation „A Day in the Life of Game of Thrones“ zeigt detailreich, wie so ein Tag am Serienset aussieht. Mich hat selbst verwundert, was alles gleichzeitig abläuft. Es erinnert an einen gigantischen Blockbuster. Wir brauchen nur zwei Monate weniger für jede Staffel, als andere für einen ganzen Film brauchen.

Wer sollte denn Ihrer Meinung nach auf dem Eisernen Thron sitzen?
CUNNINGHAM: Gute Frage. Meine Kollegin Carice van Houten (die rote Hexe Melisandre) hat eine wirklich gute Antwort, für sie soll Samwell Tarly auf dem Eisernen Thron sitzen, aber ich denke, in dieser Hinsicht lebt sie wohl in Wolkenkuckucksheim. Bestimmt wäre er ein guter König. Ich glaube auch nicht, dass Daenerys (Targaryen, Mutter der Drachen) jemals auf dem Thron sitzen wird. Ich hab da so ein schräges Bild von einem White Walker (Anm.: die dunklen Gegenspieler) auf dem Thron im Kopf (lacht). Aber man kann gar nicht vorhersehen, wer ihn erobern wird.
Vielleicht wird es ja jemand, den wir noch gar nicht kennen.

Seit vier Staffeln fürchten wir uns vor dem Winter. Sind Sie denn schon darauf vorbereitet?
CUNNINGHAM: Ich werde auf jeden Fall einen Mankini einpacken. Nein, im Ernst, wann kommt dieser verdammte Winter? Wahrscheinlich werden sich viele dabei den Arsch abfrieren und sterben. Aber wir haben ja nur noch zwei Staffeln übrig. Ich würde sagen, wir pfeifen einfach auf den Winter. Wahrscheinlich kommt irgendwann eine Schneeflocke und alle schreien „Der Winter kommt!“ und die Serie ist aus (lacht).