Das Bremsen ist manchmal noch ein wenig ruckelig. Aber da wollen wir einmal nicht so sein, immerhin ist Bertha ja noch Fahranfängerin. Im August 2013 absolvierte die S-Klasse als Jungfernfahrt die rund 100 Kilometer lange Route von Mannheim nach Pforzheim, wie sie Bertha Benz 1888 im ersten patentierten Auto der Welt zurückgelegt hatte. Und zwar autonom.
Seither hat der S-Klasse Intelligent Drive, wir wollen ihn kurz Bertha nennen, seinen Aktionsradius erweitert und kurvt durch die Straßen des kalifornischen Silicon Valley. Heute sind Axel Gern, Leiter Autonomes Fahren bei Mercedes-Benz USA, und sein Kollege Eberhard Zeeb bei der Fahrschülerin an Bord.
Im sonst so feinen Cockpit sieht es mit den zusätzlichen Monitoren und der Messtechnik ein bisschen aus wie in einer Hacker-Bude. Über die Bildschirme sehen wir die Welt mit Berthas Augen, also den Kameras und Radaren, die im Zusammenspiel mit hochgenauem Kartenmaterial für ihre Selbstständigkeit sorgen.
Erste Lektion: Linksabbiegen
Und in die wird Axel Gern sie jetzt auch entlassen. Der Deutsche nimmt die Hände vom Lenkrad, das sich ab jetzt von selbst dreht. „Das System ist aktiv“, sagt Bertha. „Die Ampel vor uns zeigt Rot.“ Wie von Geisterhand steuert sie auf die Linksabbiegespur und hält an. Super, das Kniffligste gleich am Anfang, denken wir uns auf der Rückbank.
Mit dem Umspringen auf Grün fährt sie langsam in die Kreuzungsmitte vor, wie wir es in der Fahrschule gelernt haben, schaut nach links und nach rechts (im Gegensatz zu uns kann sie das gleichzeitig). Aus den Daten der Messsysteme errechnet das Auto zentimetergenau, wo es ist, wo es hinmuss und was die anderen Verkehrsteilnehmer so treiben. Da öffnet sich eine Lücke und Bertha vollendet den Abbiegevorgang mit elegantem Einreihen.
Autonomes Fahren auf Autobahnen ist eine verhältnismäßig leichte Übung im Vergleich zum Vorstadtverkehr mit Ampeln, Fußgängern, entgegenkommenden wie parkenden Autos und Radfahrern.
Und genau so einer taucht am rechten Fahrbahnrand vor uns auf. Bertha zögert, überholt nicht. Sie hat nämlich im Kopf, dass man in Kalifornien 90 Zentimeter Abstand zu Pedalrittern halten muss, und das geht sich bis zur Mittellinie nicht aus, meldet der Rechner. Also trottet sie weiter hinter ihm her, bis Axel Gern das Steuer übernimmt.
Weiter darf sie wieder allein. Die S-Klasse biegt auf eine Schnellstraße ein, beschleunigt auf die gebotenen 65 Meilen pro Stunde und schnurrt mit schlafwandlerischer Sicherheit über den Freeway. Entspannung macht sich im Fond breit.
Bertha, bring mich heim!