Ich habe vor ein paar Wochen auf Twitter das nicht sehr schmeichelhafte Bild verwendet, Österreich stehe vor der Wahl zwischen Pest, Cholera oder Ebola (Schwarzrot, Schwarzblau, Rotblau). Matthias Strolz fand den Ausdruck so knackig, dass er ihn in einer seiner Rede verwendete - inklusive Verweis auf mein Copyright. In der ÖVP war man, wie man mir zu verstehen gab, nicht sehr amused über diese abschätzige Bild.

In der Zwischenzeit sind ein paar Wochen ins Land gegangen, ich meine, das Bild ist zutreffender denn je - auch vor dem Hintergrund zahlloser Gespräche in letzter Zeit.

In wenigen Tagen wird gewählt, die vor dem Sommer x-fach vom Kanzler geäußert Hoffnung, in den TV-Duellen das Blatt noch zu wenden, scheint sich nicht mehr zu erfüllen. Platz ein dürfte entschieden sein, nur was dann?

Eine Neuauflage der Großen Koalition - in welcher Form auch immer - ist undenkbar. Dass sich Kern und Kurz nicht schmecken können, zeigt sich einmal mehr am Sonntag auf Puls4. Zu meinen, nach einer krachenden Niederlage würde der SPÖ-Chef durch Hans-Peter Doksozil oder Pamela Rendi-Wagner ersetzt werden bzw. neue Personen würden unweigerlich zu einer Entkrampfung des Klimas führen, ist schlichtweg naiv. Bis tief in beide Parteien reicht die gegenseitige Abneigung. Und noch was: Eine Neuauflage der großen Koalition wäre eine echte Provokation der Bevölkerung. "Die Leute würden uns mit dem nassen Fetzen davonjagen", meint ein einflussreicher Gesprächspartner.

Die meisten Beobachter gehen von Schwarzblau aus. Vieles spricht dafür, vor allem würde die Koalition über eine stabile Mehrheit verfügen. Aus zahllosen Gesprächen hat sich bei mir der Eindruck verfestigt, dass sich in allerhöchsten ÖVP-Kreisen die Freude über diese Konstellation in Grenzen hält. Strache tritt zwar sehr staatsmännisch auf. Nur: Anders als 2000 ist die FPÖ personell schmal aufgestellt, eine Persönlichkeit nach dem Zuschnitt von Riess-Passer etwa ist nicht in Sicht. International würde man wieder ins Gerede kommen, wenn auch keineswegs wie vor 17 Jahren. Ähnlich skeptisch ist man in der FPÖ. Bei den wichtigsten Akteuren sitzt das Trauma, 2000 von der ÖVP über den Tisch gezogen worden zu sein, tief.

Und Rotblau? Auffallend ist der freundliche Umgangston des Kanzlers mit FPÖ-Chef Strache - im Vergleich zur tiefen, körperlich spürbaren Aversion gegenüber Kurz. Gut in Erinnerung ist das Bild, das Kanzler-Biograph Robert Misik, der dem linken Flügel der SPÖ zuzuordnen ist, vor dem Sommer verwendet hat: "Rot-Blau ist weniger unappetitlich als Schwarz-Blau." Eine solche Konstellation würde allerdings die SPÖ vor eine Zerreißprobe stellen, kleine, aber einflussreiche Kreise in der Wiener SPÖ würden wohl die innere Migration, vielleicht sogar die außerparteiliche Opposition vorziehen.

Was dann?

Nach mehr als 200-tägigen Verhandlungen haben die Niederlande am Montag eine Vierparteienregierung gebildet - mit der SPÖ in Opposition. Ein ähnliches Szenario zeichnet sich in Deutschland ab. Und dann gibt es doch die Idee einer Minderheitsregierung...

Ehe die Spekulationen über die Zeit danach ins Kraut schießen: Man sollte doch lieber den Wahlsonntag abwarten. Ohne das genau Kräfteverhältnis, das neue Machtgefüge im Parlament sind Vorhersagen Makulatur.