Elisabeth Köstinger (ÖVP) ist die neue Präsidentin des österreichischen Nationalrats. Das Ergebnis ihrer Wahl war eher bescheiden. Nur 117 der 175 gültigen Stimmen entfielen auf die 38-jährige ÖVP-Politikerin. Das sind knapp 67 Prozent und damit deutlich weniger als die letzten Präsidentinnen erhalten hatten. Nicht weniger als 56 Mandatare stimmten für den bisherigen Zweiten Präsidenten Karlheinz Kopf, der von seiner Partei, der ÖVP, übergangen worden war.

Doris Bures (SPÖ) wurde mit 115 Stimmen zur Zweiten Präsidentin des Nationalrates gewählt. 23 Stimmen entfielen auf SPÖ-Chef Christian Kern, der sich für die Position nicht beworben hatte. Anzunehmen ist, dass bei der geheimen Wahl etliche ÖVP-Abgeordnete Bures als Retourkutsche nicht zustimmten. Das beste Ergebnis erzielte der zum Dritten Nationalratspräsidenten gewählte Nobert Hofer (FPÖ) mit 131 Stimmen. Mehr lesen Sie auch in unserem Live-Blog.

Köstinger will "Präsidentin für alle" sein

Die bisherige Europaparlamentarierin Köstinger ist die dritte Frau in dieser Position und die jüngste Parlamentschefin aller Zeiten. Offen ist, ob Köstinger die Funktion dauerhaft ausübt. Spekuliert wird, dass die bisherige Generalsekretärin der ÖVP bei der Bildung einer schwarz-blauen Regierung ein Ministeramt übernehmen könnte. Dies ist wohl ein Grund für ihr bescheidenes Abschneiden.

Köstinger will ihr "Bestes dafür tun, Präsidentin für alle zu sein", sagte sie in ihrer Antrittsrede. Sie wolle auch eng mit den Bürgern in Kontakt sein und deren Anliegen im Hohen Haus vertreten. Geworben wurde von der neuen Parlamentschefin für "eine neue politische Kultur", die die Menschen wieder an die Politik glauben lasse. Vielleicht müsse man sich auch hier manchmal einfach dazu durchringen, über den anderen etwas positives zu sagen.

Ein Abgeordneter fehlte bei der Angelobung

Eröffnet wurde die Sitzung am Donnerstag Vormittag mit der österreichischen Bundeshymne. Danach wurden 182 Abgeordnete im Hohen Haus angelobt, der freiheitliche Mandatar Harald Stefan fehlte entschuldigt. Neu waren nicht nur 85 Abgeordnete, sondern auch der Blumenschmuck bei den Freiheitlichen. Sie verzichteten auf die traditionelle Kornblume, die wegen ihrer Vergangenheit als Zeichen illegaler Nazis in der Zwischenkriegszeit immer wieder Anlass für Kritik geboten hatte, und zierten sich diesmal mit einem Edelweiß. Die SPÖ kehrte zur roten Nelke zurück, nachdem man vor vier Jahren noch eine rote Rose angesteckt hatte. Die ÖVP-Mandatare trugen lediglichen einen türkisen Button mit dem Hashtag oevpklub. 

Die Neos wollen es offenbar eher stachelig angehen. Sie trugen zwar keine Blumen, hatten aber auf ihre Pulte Kakteen mit pinker Blüte gestellt. Völlig schmuckbefreit präsentierte sich der Klub der Liste Pilz, die übrigens die einzige neue Fraktion in dieser Gesetzgebungsperiode ist.

Der Angelobung wohnte den Traditionen entsprechend der Bundespräsident bei. Neben Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen waren unter anderem Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol und der frühere Vizekanzler Norbert Steger (FPÖ) in den Großen Redoutensaal gekommen. Überraschend kam der Verzicht von Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP), für den Michaela Steinacker (ÖVP) wieder zu einem Mandat kommt, was wiederum eine Rekord-Frauenquote im Nationalrat von 34,4 Prozent bringt. Nach der Angelobung folgte die erste Debatte, in deren Rahmen über die Kandidaten für die Wahl ins Nationalratspräsidium diskutiert wurde.

Sechs Abgeordnete mit Migrationshintergrund

Da Peter Pilz auf sein Mandat verzichtete und den Weg für eine Angelobung von Martha Bißmann freimachte, wird die Liste Pilz mit einer Geschlechter-Parität von vier zu vier seine Nationalratspremiere bestreiten. Dahinter folgt die SPÖ mit einer Frauenquote von 46 Prozent. Den geringsten Frauenanteil haben die Freiheitlichen mit knapp 22 Prozent.

Gering ist unverändert der Anteil von Abgeordneten mit Migrationshintergrund, wie die Medienservicestelle Neue Österreicher/innen erkundet hat. Nur sechs Mandatare stellt diese Gruppe, verteilt auf SPÖ, ÖVP und Liste Pilz. In der Türkei geboren wurden Nurten Yilmaz und Selma Yildirim (SPÖ) sowie Efgani Dönmez (ÖVP). Alma Zadic (Liste Pilz), geboren in Tuzla, ist die erste Abgeordnete, die aus Bosnien-Herzegowina stammt. Noch-Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ) kam zwar in Wien zur Welt, hat aber palästinensische Eltern. In Australien geboren ist Stephanie Cox von der Liste Pilz.