Nicht dass es bislang an bizarren Ereignissen gefehlt hätte. Doch jetzt steuert der Kampf um die Nachfolge von US-Präsident Barack Obama auf einen Höhepunkt zu. Hillary Clinton und Donald Trump treffen sich heute zur ersten von drei Fernsehdebatten. Damit beginnt traditionell die heiße Phase des Wahlkampfes. Erstmals tritt eine Frau für eine der beiden großen Parteien an, um Präsidentin zu werden. Erstmals ist der Gegenkandidat kein Politiker, sondern ein populistischer Geschäftsmann. Erstmals sind beide Kandidaten im Wahlvolk unbeliebt wie kaum jemals Bewerber zuvor. Erstmals könnten die Zuschauerzahlen die Marke von 100 Millionen durchbrechen.

„Das wird größer als die Mondlandung, größer als die Olympischen Spiele, größer als die letzte königliche Hochzeit“, sagte Paul Begala voraus, Ex-Berater von Präsident Bill Clinton. Das war eine der typischen Übertreibungen, die in der US-Politikszene üblich sind. Aber ein Körnchen Wahrheit steckt in der Vorhersage. Denn vor einer rekordverdächtigen Zuschauerzahl wird definitiv eine Vorentscheidung fallen, ob die einzig verbliebene Supermacht künftig von einer Politikerin alten Stils oder von einem Politikneuling mit Erfahrung im Immobilienbusiness und im Reality-TV regiert wird.

Auf dem Papier ist Clinton die klare Favoritin. Sie hat jahrzehntelange Erfahrung im Politikgeschäft, sie war First Lady, Senatorin, Außenministerin. Sie kümmerte sich schon um Staatsgeschäfte, als Donald Trump noch daran arbeitete, sich einen Ruf als schriller Vogel in der New Yorker Immobilienbranche zu erwerben. Clinton, 68 Jahre alt, ist geübt in der Kunst des Debattierens. Sie weiß, was sie sagen will, was sie sagen muss, wie sie es sagen will und wie sie es sagen muss.

Elf Stunden lang wurde sie im vergangenen Jahr öffentlich von republikanischen Kongressabgeordneten verhört, die versuchten, der Ex-Außenministerin die Verantwortung für den Tod von vier Amerikanern während eines Anschlags auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi zuzuschieben. Nach elf Stunden ging sie als Siegerin aus dem Anhörungssaal.

Ihr enormes Fachwissen, ihre Detailkenntnisse und ihr Hang, auf Fragen zu umfassend und mitunter zu kompliziert zu antworten, könnten Hillary Clinton jedoch zum Nachteil gereichen. Sie hat zwar ein Wahlprogramm, das im Gegensatz zu Trumps Plänen einer Überprüfung standhält. Doch das dürfte zweitrangig sein. Denn viele Zuschauer schalten in den USA die TV-Duelle nicht nur ein, weil sie Informationen haben, sondern weil sie unterhalten werden wollen.

Beide Kandidaten sind populär

Sowohl Clinton als auch Trump sind unbeliebt. Die Ex-Außenministerin gilt als abgehoben, zu künstlich und vielen als Politikerin, für die anderes Recht gilt als für den Normalbürger. Sie hat eine E-Mail-Affäre am Hals. Hinzu kommt die Geheimniskrämerei um ihren Schwächeanfall vor einigen Tagen. Das ist Stoff genug für Trump, um seine Konkurrentin zu attackieren. Er selbst ist Umfragen zufolge unbeliebter als Clinton, aber erstaunlicherweise hat ihm das bislang nichts anhaben können.

Wenn die Angaben aus ihrem Umfeld korrekt sind, will Clinton während der Debatte versuchen, Trump zu provozieren. Sie möchte erreichen, dass er aus der Haut fährt und sich danebenbenimmt. Trump wiederum muss präsidial wirken, um die unentschiedenen Wähler anzusprechen. Wissenschaftler wie Larry Sabato sagen sogar: „Es ist möglich, dass er schon allein präsidial wirkt, wenn er zusammenhängend spricht und nichts Unmögliches sagt.“ Doch es ist fraglich, ob ihm das gelingt. Zuletzt drohte Trump damit, Gennifer Flowers zur Debatte an der Hofstra-Universität bei New York einzuladen. Mit der Frau hatte Clintons Ehemann Bill vor Jahrzehnten eine Affäre. Präsidial wäre das nicht, aber die Schlagzeilen nach der Debatte würde Trump bestimmen.