Man darf sich wirklich fragen, ob Donald Trump noch alle Tassen im Schrank hat. „Mach Dich bereit, Russland, denn sie (die Raketen) werden kommen, schön und neu und ,smart‘.“ Wenn's in ihm brodelt, kündigt er einfach per Twitter einen Raketen-Krieg an, der eine direkte Konfrontation der beiden Atommächte bedeutet, und so nebenbei auch noch den Iran, Israel, Saudi-Arabien und die Türkei involviert. Ein paar Stunden später war dann doch alles nicht ganz so gemeint, alles offen. Dieser Präsident, das hat er schauderhaft unter Beweis gestellt, ist selbst eine „unguided missile“ (ungesteuerte Rakete). Wer immer in seinem Umfeld ihn (vorerst) zur Räson gebracht hat, verdient Anerkennung. Dass Militärschläge eine Lösung des Konflikts bringen, wird wohl niemand glauben.

Beweis für den Einsatz von Chemiewaffen?

Frankreich hat laut Präsident Emmanuel Macron einen Beweis für den Einsatz von Chemiewaffen durch die syrische Regierung. "Wir haben den Beweis, dass (...) Chemiewaffen verwendet wurden, zumindest Chlor, und dass sie vom Regime von Bashar al-Assad verwendet wurden", sagte Macron am Donnerstag in einem Interview des Senders TF1.

Er kündigte erneut eine Reaktion an, ohne sich auf einen Zeitraum festzulegen. Frankreich werde dann reagieren, "wenn wir es für am sinnvollsten und wirkungsvollsten halten". Macron hatte außerdem mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Telefongespräch die aktuelle Entwicklung in Syrien erörtert. Das teilte der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin mit.

Wie es jetzt weiter geht, ist unklar. Der UN-Generalsekretär warnt zu Recht vor dem völligen Kontroll-Verlust in Syrien. Mehrere Szenarien stehen zur Auswahl - Trumps Entscheidung wird globale Auswirkung haben.

Szenario 1: Denken, prüfen, abwarten

Trump setzte seinen Tweet in die Welt, bevor überhaupt geklärt ist, ob das von Russland unterstützte Assad-Regime in Syrien Giftgas eingesetzt hat oder nicht. Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen will Experten vor Ort schicken. Deren Arbeit wird ein bis zwei Wochen dauern. Voraussetzung sind Sicherheitsgarantien von Seiten Assads. Wann diese vorliegen, ist unklar.

Auch aus militärischer Sicht deutet einiges darauf hin, dass es so schnell zu keiner Entscheidung kommt: Die Anzahl der Flugzeugträger, die die USA derzeit in der Region haben, würde nur eine sehr begrenzte Militäraktion erlauben, die wenig Effekt hätte. An sich hat Trump erst kürzlich angekündigt, US-Soldaten aus Syrien abziehen zu wollen, er will weniger Geld im Ausland ausgeben. Mit dem Raketen-Tweet hat sich der US-Präsident aber selbst unter Zugzwang gesetzt. Dass er die Sache einfach wieder abbläst, ist schwer vorstellbar.

Szenario 2: Eine Militäraktion in beschränktem Rahmen

Wie 2017 könnte Trump einen beschränkten Angriff auf eine syrische Militärbasis befehlen, der eher symbolisch wäre: Am Kräfteverhältnis vor Ort würde sich dadurch nichts ändern, Trump könnte nach seiner unbedachten Ankündigung ein Zeichen gegen Giftgas-Angriffe setzen und doch recht leicht wieder aus dem Krieg wieder aussteigen. Dies ließe sich für die USA auch militärisch derzeit leicht durchführen.

Russland hat trotz martialischer Gegendrohungen angedeutet, sich nicht einzumischen, solange keine russischen Soldaten bei den amerikanischen Angriffen zu Schaden kommen. Eine gezielte, begrenzte Aktion der USA gegen syrische Basen könnte dies voraussichtlich garantieren. Dazu kommt, dass Trump innenpolitisch wegen der Russland- und der Sex-Affäre stark unter Druck steht. Je größer seine inneren Probleme, umso größer die Kriegsgefahr. Bilder von Luftschlägen würden das Publikum ablenken. Option zwei erscheint derzeit sehr wahrscheinlich.

Szenarion 3: Ein großer Militärschlag

Rein theoretisch wäre eine groß angelegte Militäraktion, die auch den Sturz Assads zum Ziel hat, denkbar. Aber weder Russland noch der Iran werden tatenlos zusehen, wie sich die Kräfteverhältnisse zugunsten der USA verschieben – das große Gemetzel wäre kaum aufzuhalten. Zugleich wäre es für die USA zum jetzigen Zeitpunkt kaum noch zu gewinnen, zu viele Landesteile hat Assad bereits wieder unter Kontrolle. Besonders wahrscheinlich ist dieses Szenario im Moment nicht – Trumps Tweet klingt nicht danach, und auch die Falken, die er sich zuletzt ins Team holte, scheinen das (derzeit) nicht anzustreben. Sollte es dennoch dazu kommen, wäre es wohl eher Trumps irrationalem Temperament geschuldet.