Der Supreme Court in Washington urteilte am Montag, die Bundesstaaten hätten das Recht zu Strafen gegen solche sogenannten untreuen Wahlleute. Sie dürften nicht das Votum von Millionen von Bürgern ins Gegenteil verkehren. Der Gerichtshof befasste sich in dem Urteil mit einer Besonderheit des US-Wahlrechts: In den USA wählen die Bürger den Präsidenten nicht direkt, sondern indirekt über ein Kollegium aus Männern und Frauen ("Electoral College"). Dieses Kollegium aus 538 Personen ist es letztlich, das den Präsidenten wählt. In diesem Gremium hat jeder Staat so viele Vertreter, wie er im Abgeordnete und Senatoren im Bundesparlament hat.

Die US-Verfassung schreibt den Wahlleuten zwar nicht vor, entsprechend dem Wahlausgang in ihrem jeweiligen Bundesstaat abzustimmen. In der US-Geschichte hat sich das aber so durchgesetzt - und viele Bundesstaaten verpflichten die Wahlleute dazu. 15 Bundesstaaten haben Strafen gegen Wahlleute verankert, die gegen das Wählervotum verstoßen.

Nach der letzten Präsidentschaftswahl 2016 hatten insgesamt fünf Wahlleute sich geweigert, für die Demokratin Hillary Clinton zu stimmen, obwohl diese in den jeweiligen Bundesstaaten die Mehrheit gewonnen hatten. Zwei Wahlleute wandten sich gegen den republikanischen Wahlsieger Donald Trump.

Argument "hätten Wahlfreiheit"

Die Bundesstaaten Colorado und Washington im Westen des Landes verhängten daraufhin Strafen gegen zwei Wahlleute: 1.000 Dollar (890,95 Euro) Geldstrafe in einem Fall, ein Entzug des Wahlleute-Mandats im anderen Fall. Die Wahlleute zogen dagegen vor Gericht und argumentierten, sie hätten Wahlfreiheit.

Der Supreme Court sah das anders. "Der Text der Verfassung und die Geschichte unserer Nation erlauben es einem Bundesstaat, die Einhaltung des Versprechens eines Wahlmanns durchzusetzen, den Nominierten seiner Partei - und die Entscheidung der Wähler des Bundesstaates - als Präsidenten zu unterstützen", urteilten die Verfassungsrichter. Es habe "lange Tradition", dass Wahlleute nicht frei in ihrer Entscheidung seien. "Sie müssen für den Kandidaten stimmen, den die Wähler eines Bundesstaates ausgewählt haben."

Historisch betrachtet kommt es recht selten vor, dass Wahlleute anders abstimmen als von ihnen erwartet wird. Zwischen 1796 und 2016 tanzten 180 Wahlleute aus der Reihe. Den Ausgang einer Präsidentschaftswahl hat dies noch nie verändert.

Allerdings zeigten sich einige der Obersten Richter bei der Anhörung zu den Fällen aus Washington und Colorado besorgt, in der Zukunft könnte dies theoretisch der Fall sein. Dann drohe "Chaos". Das Urteil fiel vier Monate vor der Präsidentschaftswahl vom 3. November, bei dem der Demokrat Joe Biden den rechtspopulistischen Amtsinhaber Trump herausfordern wird.

Das Wahlleute-System in den USA ist umstritten und wird von vielen als undemokratisch kritisiert. Trump hatte 2016 die Mehrheit der Wahlleute und damit die Wahl gewonnen - obwohl Clinton mehr als drei Millionen Wählerstimmen mehr erhalten hatte. Der Hauptgrund dafür ist, dass kleinere und traditionell konservative Bundesstaaten bei der Verteilung der Wahlmännerstimmen bevorzugt sind. Weil jeder Staat mindestens einen Abgeordneten und mindestens zwei Senatoren hat, hat er auch zumindest drei Stimmen im Electoral College.

Vor diesem Hintergrund gibt es schon seit Jahren Bestrebungen, das Wahlmännerkollegium auszuhebeln. Eine Anzahl von - mehrheitlich demokratisch regierten - Bundesstaaten hat sich bereits vertraglich verpflichtet, seine Wahlmännerstimmen dem Kandidaten mit den landesweit meisten Wählerstimmen zu geben. Dieser Vertrag tritt allerdings in Kraft, wenn er von Staaten mit insgesamt 270 Wahlmännerstimmen ratifiziert wurde. Die bisherigen Unterzeichnerstaaten des "National Popular Vote Interstate Compact" (Staatsvertrag über die nationale Bevölkerungswahl) bringen 196 Stimmen auf die Waagschale.