Wie blicken Sie persönlich auf die Kärntner Volksabstimmung und welche Botschaft haben Sie für die Kärntner Slowenen zum Jahrestag?

BORUT PAHOR: Ich würde zwei wichtige Dinge hervorheben. Erstens glaube ich, dass das gemeinsame Begehen dieses Jahrestags eine symbolische und reale Bedeutung hat. Wegen des glücklichen Umstandes, dass wir jetzt ein gemeinsames europäisches Haus haben und in diesem gemeinsamen europäischen Haus, das uns Frieden und Wohlstand sichert, frei all unsere Identitäten leben können, auch sprachlich und national. Zweitens, dass wir Slowenen mit einem selbstbewussten Auftreten bei dieser gemeinsamen Feier unsere berechtigten Erwartungen äußern können, dass die österreichischen Behörden ihre Verpflichtungen erfüllen, die sich aus dem Staatsvertrag ergeben und aus den vor der Volksabstimmung vor 100 Jahren abgegebenen Versprechen, wegen der sich die Mehrheit der Slowenen damals für ihre Heimat, für Österreich, entschieden hat. Wir können so die Tatsache feiern, dass wir im gemeinsamen europäischen Haus dieses Jahrestags, der uns bisher entzweit hat, auf eine gewisse Weise gemeinsam gedenken können und er uns auf ganz besondere Art und Weise verbindet.

Beim Gedenken an die Kärntner Volksabstimmung, das in der Vergangenheit antislowenische Untertöne hatte, sind heuer erstmals die Präsidenten Österreichs und Sloweniens dabei. Sie haben ebenfalls heuer mit dem italienischen Präsidenten die Rückgabe des Narodni dom (slowenisches Volkshaus) in Triest 100 Jahre nach seiner Zerstörung gefeiert und auch erstmals den Gedenkort Basovizza besucht. Mit ihrem kroatischen Präsidenten haben sie auf der Insel Rab gemeinsam der Opfer des Lagers Kampor gedacht. Was war die Hauptbotschaft dieser Anlässe?

Alle engagierten Europäer müssen mit gewisser Sorge, nicht mit Angst, auf die Auffassungsunterschiede blicken, die wir in unseren nationalen Gemeinschaften und Staaten, aber auch auf europäischer Ebene sehen. Während es noch vor einigen Jahren ein allgemeines Vertrauen in das europäische Projekt gab, sehen wir heute viel mehr Skepsis. Die Feier in Triest, die Feier in Klagenfurt, die Feier auf Rab - all das ist in gewisser Weise Schwimmen gegen den Strom, den wir sehen. Es ist ein Beharren darauf, dass wir zusammen sind und nur gemeinsam die großen Probleme lösen können. Und dass wir auf unseren Gemeinsamkeiten aufbauen müssen. Gewisse Dinge können uns bis in alle Ewigkeit spalten, wenn wir immer nur darauf aufbauen. Wenn wir auf dem aufbauen, was wir gemeinsam haben, wird uns das verbinden. Darum geht es bei all diesen Feiern und meinen Entscheidungen. Es war keine einfache Entscheidung. Ich weiß, dass das zuhause auch von Zweifeln und Kritik begleitet wird. All das verstehe ich. Aber es geht um große Dinge. Symbolisch und real. Aber ich bin persönlich sehr davon überzeugt und tue dies mit aufrichtigem und offenem Herzen.

Mit dem Bundespräsidenten treten sie für einen gemeinsamen Blick nicht nur in die Zukunft, sondern auch in die Vergangenheit ein. Wie sehen Sie die Verbrechen des SHS-Königreichs und der jugoslawischen Verwaltung in Südkärnten vor der Volksabstimmung? Sollte man diese verurteilen? War diese Besatzermentalität entscheidend dafür, dass sich die Kärntner Slowenen in der Volksabstimmung für Österreich entschieden haben?

Es geht nicht darum, die Geschichte zu ändern, aber wir sollten sie verstehen und etwas aus ihr lernen. Die gemeinsame Feier ist der Grund, warum wir uns im vergangenen Jahr mit den österreichischen Behörden auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene viel öfter mit den Rechten und Pflichten bezüglich der Volksgruppe beschäftigt haben als jemals zu vor. Ich bin seit 30 Jahren in verschiedenen Funktionen in der slowenischen Politik und kann aus erster Hand sagen, dass wir uns noch nie in einem Zeitabschnitt so intensiv damit beschäftigt haben und dass die gemeinsame Feier eine Gelegenheit zur Aktualisierung von bestimmten Erwartungen und Forderungen war, dass die Minderheit sich diesbezüglich etwas stärker vereint hat und dass sich vor allem die Bundes- und Landesregierung zur Umsetzung verpflichtet hat. Das ist das eine. Sie haben mich nach der Geschichte gefragt. Der Bundespräsident und ich haben sofort, als wir im vergangenen Herbst mit der Entscheidung bezüglich der gemeinsamen Feier begonnen haben, gesagt, dass wir die Geschichte den Historikern überlassen. Es gab schon einige Symposien, auch unlängst in Kärnten. Es gab hervorragende Beiträge. Auch ich habe mich der Literatur gewidmet. Natürlich stellt sich die Frage, warum sich die Slowenen damals gegen den Anschluss an das Muttervolk innerhalb des SHS-Königreichs entschieden haben. Ich glaube, dass der von Ihnen erwähnte Grund sehr dazu beigetragen hat. Das grobe, unangemessene und oftmals unvernünftige militärische Verhalten der Armee, die nicht gut verstand, wo sie war, worum es ging und die in Serbisch die Slowenen angesprochen hat, die wiederum nicht gut verstanden haben, was man ihnen sagen wollte und auch die Argumente nicht gut aufgenommen haben, die man ihnen gab. Zugleich haben sie die deutschen Argumente besser verstanden, warum sie in Österreich bleiben sollten. Ich spreche jetzt nicht als Historiker, sondern beantworte Ihre Frage nach besten Kräften. Das ist meine Sichtweise, wenn ich nach einer Erklärung suche, warum sich die Slowenen damals in der Volksabstimmung - niemand hat sie gezwungen, sie haben nach ihrem Willen gehandelt - dafür entschieden haben, dort zu bleiben. Das ist doch ein Unterschied zu den Slowenen, die vom Muttervolk mit dem Vertrag von Rapallo (zur Angliederung des slowenischen Küstenlandes an Italien nach dem Ersten Weltkrieg, Anm.) getrennt wurden. (...) Schon bald nach meinem ersten Treffen mit meinen Gesprächspartnern - Landeshauptmann Peter Kaiser ist schon seit einem Vierteljahrhundert mein persönlicher Freund - haben wir gesagt, dass es hier nicht um irgendeine Rückgabe oder eine symbolische Entschuldigung für etwas geht, wofür sich die Slowenen damals freiwillig entschieden haben, dass sie aber verstehen sollen, und das ist sehr wichtig, dass sie die Pflicht haben, die Versprechen zu erfüllen, die sie in der Zeit vor der Volksabstimmung gegeben haben und die im Staatsvertrag niederlegt sind. Das ist deshalb wichtig, weil die österreichische Bundes- und Landesregierung sich solcherart so verhalten, als ob sie zur Erfüllung von Artikel 7 des Staatsvertrags verpflichtet wären, ungeachtet der nicht erfolgten Notifizierung Sloweniens (über die Rechtsnachfolge Jugoslawiens) beim Depositarstaat Russland.

Wie ist es dazu gekommen, dass die beiden Präsidenten in Klagenfurt gemeinsam an der Volksabstimmungsfeier teilnehmen?

Dem ging eine gemeinsame Entscheidung mit dem italienischen Präsidenten Mattarella voraus, die wir rund ein Jahr lang mit uns herumgetragen haben (über die gemeinsame Feier in Triest, Anm.). Von Anfang 2019 bis zum Herbst dieses Jahres, (...) als wir am Rande einer internationalen Konferenz in Athen nach gründlichen bilateralen Gesprächen vereinbarten, dass wir gemeinsam anwesend sein werden. Nach meiner Rückkehr aus Athen kam ich bald zu einem offiziellen Besuch nach Österreich, vor dem ich mich mit Vertretern der Minderheit traf und sie fragte, wie sie es sehen würden, wenn wir beide an den Feiern zum 100. Jahrestag der Volksabstimmung teilnähmen. Damals überwog die Meinung, in die Zukunft zu blicken. Dies vertraute ich dem österreichischen Präsidenten als Möglichkeit an. Wir haben uns Zeit genommen und zu Jahresbeginn entschieden, dass die Idee gut ist und wir sie weiter verfolgen. Wir begannen damit, dass wir die slowenische Minderheit fragten, ob sie ihre Forderungen und Erwartungen zusammenfassen könnte, sodass die österreichischen Behörden jetzt auf allen Ebene ein Dokument erhalten haben, in dem die slowenischen Behörden sehr klar die Forderungen präzisieren, deren Erfüllung sie im Licht der Volksabstimmungsfeiern erwarten. Es geht um ein Finanzpaket, das praktisch auf Regierungs- und Präsidentenebene abgesegnet wurde und um ein Gesetzespaket, das nach den mir gegenüber gemachten Aussagen vom slowenischen Parlamentspräsidenten gutgeheißen wurde, und auch die Abgeordnete und Kärntner Slowenin Olga Voglauer (Grüne, Anm.) sagt, dass die Stimmung sehr gut ist. Ich hoffe, dass die beiden Veranstaltungen in Triest und Klagenfurt eine Stimmungsänderung bewirkt haben. Es geht nicht nur um symbolische, sondern auch um reale Stimmungsänderungen zugunsten beider Minderheiten, der Slowenen in Italien und der Kärntner Slowenen.

In welcher Funktion werden Sie in Klagenfurt sein? Als Vertreter der Rechtsnachfolgerin jenes Staates, der das Referendum verloren hat? Als Vertreter des Nachbarlandes? Als Vertreter des Mutterlandes der Kärntner Slowenen?

Ich werde der erste Staatspräsident Sloweniens sein, der im Landtag (in Klagenfurt) sprechen wird. Ich werde der erste Präsident sein, der in slowenischer Sprache sprechen wird. Ich werde die slowenische, österreichische und europäische Öffentlichkeit ansprechen. Ich werde sie als Präsident jenes Staates ansprechen, der sich als Rechtsnachfolger des Signatarstaates (des Staatsvertrags, Anm.) ansieht und von der österreichischen Seite erwartet, dass sie die Bestimmungen des österreichischen Staatsvertrags in jenem Teil erfüllt, der sich auf die Rechte unserer Minderheit bezieht. Weil ich auch als Slowene sprechen werde, werde ich auch die Volksgemeinschaft ansprechen, den ganzen slowenischen Kulturraum, der uns wegen des europäischen Hauses ermöglicht, die Grenzen zu überschreiten, die uns einst körperlich, geistig, politisch und ideologisch trennten, auf dass wir auf neue Weise in die Zukunft blicken, mit den Augen der jungen Generation. In diesem Sinne werde ich auch als Slowene sprechen, der in den Kärntnern Landsleute sieht. Diese Vielschichtigkeit ist traumhaft. Das ist nur möglich, wenn Verständnis herrscht. Wenn es kein Verständnis gäbe, kein Europa, wenn wir Nachbarschaftskonflikte hätten, wäre das alles nicht möglich. Wir hätten eine Feier nationalistischer österreichischer Kreise, die den Sieg über die Slowenen zelebrieren. Jetzt haben wir einen anderen Zugang, und ich hoffe, dass man das sehen wird. Sie müssen wissen, dass die Entscheidung getroffen wurde, dass ich auf einen offiziellen Besuch komme und mit militärischen Ehren empfangen werde. Das ist nicht unbedeutend. Mein Freund und Präsident Van der Bellen hat sich sehr aufrichtig dafür eingesetzt und wir glauben ehrlich daran. Es wird auch nach dieser Feier Zweifel geben, es gibt sie, und es wird sie geben, das ist in der Natur großer Dinge, dass sie Spuren hinterlassen, als Spuren des Zweifels, und die Zeit wird zeigen, wie mutig wir waren und ob irgendwer naiv war. Ich bin zutiefst überzeugt von der Entscheidung für Triest und Klagenfurt.

Sie kennen die bilateralen Beziehungen von Slowenien und Österreich aus verschiedenen Ebenen, nicht nur als Präsident, auch als Regierungschef und Parlamentspräsident. Wie würden sie diese Zusammenarbeit und die bilateralen Beziehungen bewerten?

Es gibt keinen Zweifel, dass Österreich sehr große Verdienste hatte (um die Unabhängigkeit Sloweniens, Anm.), sicher am meisten neben Deutschland. Wir sollten nie aufhören, das laut zu sagen. Österreich hat Verdienste dafür, dass wir Slowenen im Jahr 1990 und dem ersten Halbjahr 1991 zum Teil der internationalen Gemeinschaft wurden. Österreich hat uns nicht nur verstanden, es hat uns auch konkret geholfen, als unsere Delegationen auf die internationale Bühne getreten sind. Übrigens war der erste Auslandsbesuch einer parlamentarischen Delegation - und ich war Teil dieser Delegation - ein Besuch Kärntens, ein Besuch Klagenfurts. Ich kann mich noch genau daran erinnern. Wir wurden erstmals als Delegation Sloweniens empfangen. Nicht nur die österreichische Regierung, auch die Landesregierung (während der ersten Amtszeit von Landeshauptmann Jörg Haider, Anm.) hat damals trotz ihrer nationalistischen Ausrichtung den Kontext des möglichen Zerfalls Jugoslawiens als Kontext verstanden, (...) in dem die von ihnen erlebten Gefahren geringer sein würden als mit Jugoslawien jenseits der Grenze. In diesem Sinne erhielten wir von den Landesbehörden vorsichtige Unterstützung. Noch bis zum Jahr 2000 beharrte ich darauf, dass der österreichische Staatsvertrag notifiziert werden sollte (gemeint ist die Rechtsnachfolge Sloweniens als Signatarstaat, Anm.). Aber am Ende habe ich auf diejenigen gehört, die weiser und intelligenter waren. Wir haben auch überprüft, wie die anderen Signatarstaaten des Staatsvertrags zu einer Notifizierung durch uns stünden. Wir haben hinreichend klare Antworten erhalten, dass sie zurückhaltend sind und dass es ihnen wichtiger erscheint, dass wir Österreich mit unserem Verhalten dazu bringen, dass es seine Verpflichtungen einhält. Jetzt sind wir im Jahr 2020, und wir haben nicht notifiziert, aber die österreichische Seite hält sich an ihre Verpflichtungen.

Sie sind also in dieser Frage für den Status Quo?

Im Jahr 2010 war (Bundeskanzler Werner) Faymann zu Besuch, und auf einer Pressekonferenz sagte er unzweideutig, dass sie sich verpflichtet fühlen, den Artikel 7 des Staatsvertrags zu erfüllen. Außerdem haben wir damals gesagt, warum sollen wir die Allianz mit Österreich mit einer Note auf Spiel setzen. Also machen wir etwas, was noch nicht erfüllt wurde. Die Ortstafeln. Damals kam es zum großen Projekt, das im Jahr 2011 Früchte getragen hat. Im Jahr 2011 gab es dann diesen ersten großen Akt des Umbruchs mit den zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten. Die Ortstafeln sind nicht alles. Sie sind aber sehr wichtig. Heute sind die Ortstafeln immer noch relevant. Wir sehen eine Notwendigkeit, in Kindergärten, Schulen zu investieren, wo die Sprache am Leben erhalten wird. Ortstafeln legen symbolisch Zeugnis ab, gelebt wird die Sprache in den Krippen und Volksschulen.

Slowenien tritt sehr für den Erhalt der slowenischen Minderheit in Österreich ein und beklagt ihre Dezimierung seit der Volksabstimmung. Die Vertreibung der Deutschsprachigen aus der Steiermark in der Abstimmungszeit wird aber von der slowenischen Politik nicht verurteilt. War die Unterdrückung der Deutschen nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg gerechtfertigt? Misst Slowenien dabei mit zweierlei Maß?

Ich würde zunächst einmal politisch antworten. Ich denke, dass man nicht erwarten kann, dass es zu einer Änderung der Verfassung kommen wird, in der die ungarische und italienische Volksgruppe als autochthon anerkannt werden. Es gibt mehrere Gründe dafür, nicht nur emotionaler oder ideologischer Natur, sondern auch sachlicher, etwa den Siedlungsraum, dass es nur noch sehr kleine verstreute Überbleibsel gibt. Aber wir haben auch bestimmte formale Verpflichtungen. Wir haben ein unterzeichnetes Kulturabkommen mit Österreich, das den slowenischen Behörden auferlegt, dass sie die Aktivitäten der deutschsprachigen Slowenen angemessen unterstützen. Es sind sehr wenige, doch es gibt sie, sie leben verstreut. Dieses Abkommen wurde geschlossen, als ich Parlamentspräsident war und deshalb weiß ich sehr gut, wie es durch das Gesetzgebungsverfahren ging. Es gab Verhandlungen, dann musste es ratifiziert werden. Es war nicht leicht, es gab viele Bedenken, aber es ging. Und wir sind heute auch verpflichtet, den deutschsprachigen Slowenen beim Erhalt ihrer Identität zu helfen. Nicht nur, weil wir dazu verpflichtet sind. Ich wünsche mir, dass wir diese Identität, diese aus der Vergangenheit stammende Buntheit erhalten. All das prägt uns heute, national, kulturell, sprachlich und auch menschlich. Hier bin ich sehr offen. Dass wir aber, wie man hie und da gerne aus Österreich hört, dies in den Status einer autochthonen Minderheit überführen, dafür gibt es in Slowenien nach meinen Informationen derzeit keine Bereitschaft, auch aus triftigen Gründen.

Die österreichische Politik verbindet Forderungen nach der Erfüllung von Verpflichtungen gegenüber der slowenischen Volksgruppe in Kärnten immer wieder mit der verfassungsrechtlichen Anerkennung der deutschsprachigen Gruppe in Slowenien. Wie sehen Sie diese Forderungen?

Das österreichische Parlament hat eine Entschließung angenommen, die den österreichischen Behörden auf Landes- und Bundesebene auferlegt, im Kontakt mit den slowenischen Behörden, den lokalen und zentralstaatlichen, immer diese Frage zu betonen. Und das tun sie auch. Wir verstehen das. Das ist eine Entscheidung im Rahmen ihrer Verfassungsordnung, aber nicht Gegenstand eines internationalen Vertrags mit Ausnahme des Kulturabkommens. Es geht dort um eine andere Art von Handlungen der slowenischen Regierung zum Erhalt der Identität, während es im österreichischen Fall um die Erfüllung von Versprechen geht, die im Jahr 1920 gegeben wurden.

Was ist mit Artikel 7 des Staatsvertrags, in dem es um den Schutz der slowenischen Volksgruppe in Österreich geht. Österreich betont, dass alle ihre internationalen Verpflichtungen gegenüber der Minderheit erfüllt sind. Was ist Ihre Meinung dazu?

Das sagen sie nicht immer. Ich verstehe, dass man ihre Aussagen so verstehen kann. Zumindest in informellen Gesprächen sagen sie, dass einige Dinge nicht erfüllt sind. Warten wir die Rede des österreichischen Präsidenten in Klagenfurt ab und vermutlich auch die Rede des Kärntner Landeshauptmanns. Ich erwarte, dass beide sagen werden, dass es sicher einen Fortschritt bei der Erfüllung gibt. Aber alle Verpflichtungen sind nicht erfüllt. Sie stehen diesbezüglich in der Schuld. Das ist eine notorische Tatsache. Deshalb das Dokument "Pro Memoria", deshalb mein Gespräch mit dem österreichischen Bundeskanzler vor kurzem, über dessen Details ich nicht sprechen kann, weil es unter vier Augen war, und das mich überzeugt, dass sich die österreichische Regierung ihrer Verpflichtungen bewusst ist.

Welche Rolle sehen Sie für Minderheiten im vereinten Europa, gerade jetzt, wo vielerorts die Nationalismen und Populismen stärker werden?

In vergangenen Tagen waren Minderheiten oft wirklich eine Brücke der Zusammenarbeit. Das stimmt sicher. Wenn es eine gute Zusammenarbeit gab, waren die Minderheiten eine Brücke der Zusammenarbeit. Wenn es um die Lösung von Spannungen und Konflikten ging, waren sie ein Hebel zur Instrumentalisierung der außenpolitischen Ziele ihrer Mutterländer. Das sage ich als Politiker und Politikwissenschafter. Jetzt müssen sie weder Hebel noch Brücke im alten Sinn sein. Minderheiten bereichern uns. Dass wir im Küstenland eine italienische Volksgruppe haben, bereichert uns. Wir haben auch Menschen, die Slowenien gern haben und Slowenien als ihre Heimat ansehen, aber zugleich ihre Sprache hüten. Diese Sprache bleibt auch da. Wir nehmen sie an, wir sprechen sie, all das ist im Kontext des europäischen Hauses ein Privileg und keine Bürde. Ähnlich ist es in Prekmurje. Dass es dort Ungarn gibt, die Ungarisch sprechen, ist ein Privileg für das multikulturelle Prekmurje.

(Das Gespräch führte Maja Lazar Jancic/STA mit Fragen von APA und STA)