Zwei Panzer kriechen durch die Steppe, dann schlägt eine Rakete ein. Ein Panzer verschwindet unter dem Qualm. Das Video, das feindliche Truppen unter gezieltem Beschuss zeigt, veröffentlichte am Wochenende das armenische Verteidigungsministerium. Regierungschef Nikol Paschinjan verkündete auf Facebook, in Berg- Karabach stellten sich die Armenier erfolgreich einem Angriff der Aserbaidschaner entgegen: „Seid bereit, unsere heilige Heimat zu schützen!“

Der seit Jahrzehnten ungelöste Konflikt zwischen den Kaukasusstaaten Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach droht wieder zum offenen Krieg zu werden. Armenien rief die Generalmobilmachung aus und das Kriegsrecht. Alle Wehrpflichtigen hätten sich bei ihren Militärkommissionen zu melden.

Aserbaidschans Präsident Ilcham Alijew sprach in einer TV-Ansprache von laufenden Kampfhandlungen und getöteten aserbaidschanischen Soldaten und Zivilisten: „Ihr Blut bleibt nicht ungesühnt.“

Aus armenischer Sicht attackierte der Feind mit Kampfflugzeugen und Raketenwerfern zivile Objekte und Schulen, eine Mutter und ihre Tochter seien umgekommen. Aus aserbaidschanischer Sicht wird den armenischen Streitkräften vorgeworfen, sie hätten an der gesamten Frontlinie aserbaidschanische Stellungen sowie Wohnsiedlungen beschossen.

Schon im Juli hatte es blutige Grenzgefechte gegeben. Jetzt konzentrieren sich die Kämpfe wieder auf die Rebellenrepublik Berg-Karabach. I988 war in dem mehrheitlich armenischen Bezirk der damaligen Sowjetrepublik Aserbaidschan ein blutiger Krieg ausgebrochen. Er dauerte vier Jahre. Nach Gemetzeln auf beiden Seiten vertrieben die christlichen Armenier die aserbaidschanischen Kämpfer, aber auch die muslimische Zivilbevölkerung.

Seitdem fordert Baku die Rückgabe Karabachs, außerdem die Rückgabe des Landkorridors zur gemeinsamen Grenze, den ebenfalls Armenien kontrolliert. Mehrere Verhandlungsrunden unter Vermittlung der OSZE und Moskaus scheiterten.

„Für einen ernsthaften Krieg hätte Aserbaidschan an der Grenze zwei Drittel seiner Streitkräfte versammeln müssen“, schreibt die Moskauer Zeitung Nesawissimaja Gaseta unter Berufung auf Militärexperten. Und weiter: „Davon ist nichts zu sehen.“ Aber das durch Öl- und Gasexporte reich gewordene Aserbaidschan rüstet seit Jahrzehnten auf. Die Armee Aserbaidschans hat 126.000 Aktive und 570 Panzer, der feindliche Nachbar nur 45.000 Mann und 110 Panzer.

Militärexperten halten Moral und Ausbildung der Armenier aber für deutlich besser. Armeniens Militär verfüge laut Global Firepower zwar praktisch nicht über Kampfjets, gehöre aber zum russisch geführten Militärbündnis OVKS. Und Russland unterhält im armenischen Gjumri einen Militärstützpunkt, wo auch MiG-29-Jäger stationiert sind. „Wenn es Krieg gibt“, sagt der Moskauer Politologe Aschdar Kurtow, „wird sich Russland nur schwer heraushalten können.“ Ein OVKS-Sprecher rief zur friedlichen Lösung des Konflikts auf. Russlands Außenminister Sergej Lawrow führe intensive Gespräche, um die Konfliktparteien zur Einstellung des Feuers zu bewegen, hieß es auch Moskau.

Ein Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sagte: „Aserbaidschan ist nicht allein, es hat die volle Unterstützung der Türkei.“ Sonntagabend hat auch Aserbaidschan für mehrere Landesteile das Kriegsrecht ausgerufen.