Der russische Präsident Wladimir Putin und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un haben über Schritte zur Verbesserung der Lage auf der koreanischen Halbinsel beraten. Sie bezeichneten ihr erstes langes Vier-Augen-Gespräch als "substanziell". Es sei auch um die Situation auf der koreanischen Halbinsel gegangen, die zu den größten internationalen Problemen gehöre, sagte Kim in Wladiwostok. Putin sagte, beide Seiten hätten auch darüber gesprochen, wie die Lage verbessert werden könne.

Sein Urteil über den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un formulierte Kremlchef Wladimir Putin betont freundlich. Ein "ziemlich interessanter, inhaltsstarker Gesprächspartner" sei sein Gast, meinte der 66-jährige Putin. Kim könnte sein Sohn sein - und zumindest Reporter im Tross des russischen Präsidenten machten sich in der Hafenstadt Wladiwostok dann auch lustig über den jungen Mann.

Sie veröffentlichten einen Clip davon, wie der 35-Jährige im Tagungsort der Fernöstlichen Universität nervös mit seinen Fingern spielte, als er vor Putin und dem streng wie ein Professor schauenden russischen Außenminister Sergej Lawrow saß. Ihre Finger lagen still auf dem Tisch, während Kim teils in seine Notizen schaute.

Schwert gegen Säbel

Kim schenkte Putin übrigens ein Schwert, Putin gab ihm ein Teeservice und einen Säbel mit auf dem Weg. Weil das Schenken messerscharfer Gegenstände im Russischen immer von Aberglauben behaftet ist, tauschten beide Münzen aus. Das soll mögliches Böses abwenden.

Auch die Russen hatten sich - als Nachbarland von Nordkorea - zuletzt immer wieder besorgt gezeigt, wenn der von US-Präsident Donald Trump so bezeichnete "kleine Raketenmann" wieder mal einen Atomtest zündete. Aber Putin und sein Chefdiplomat neigten da nie zu Beschimpfungen. Bei dem mehrstündigen Treffen mit Kim - dem ersten der beiden überhaupt - machte Putin deutlich, dass Moskau und Washington ein gemeinsames Ziel haben: die Denuklearisierung Nordkoreas.

Dabei zeigte sich Putin verständnisvoll und betonte, dass Kim ein Anrecht darauf habe, Nordkorea als eigenständigen Staat zu führen. Und wenn er tatsächlich auf die Atomwaffen verzichte, dann brauche er internationale Sicherheitsgarantien. Dann müssten die Sanktionen fallen. Diese russische Linie für eine mögliche Lösung des Atomstreits will Putin auf Bitten von Kim nun als Vermittler in dem festgefahrenen Streit auch der US-Seite überbringen.

Zum Dialog bereit

Kim ist nach Worten des russischen Präsidenten weiterhin bereit zum Dialog mit den USA über sein umstrittenes Atomprogramm. Er wolle die US-Seite bei Interesse offen über das Treffen mit Kim informieren, sagte Putin in Wladiwostok bei einer live im Staatsfernsehen übertragenen Pressekonferenz. Dort hatte er sich mehrere Stunden lang mit Kim getroffen. Russland und die USA hätten ein gemeinsames Interesse an der Denuklearisierung von Nordkorea, sagte Putin. Der nordkoreanische Machthaber habe ihn selbst darum gebeten, den USA die Position noch einmal zu übermitteln, sagte Putin. "Es gibt keine Geheimnisse", betonte Putin. Zuletzt hatte ein US-Sondergesandter Moskau besucht - mit Blick auf dieses erste Treffen von Putin und Kim. Ein Gipfel von US-Präsident Donald Trump mit Kim in Vietnam vor gut zwei Monaten war vorzeitig abgebrochen worden.

Russland fordert keine sofortige und komplette Aufgabe des Atomprogramms in Nordkorea. Moskau setzt sich vielmehr für ein etappenweises Vorgehen ein, bei dem es für Schritte bei der Abrüstung im Gegenzug eine Lockerung der Sanktionen gegen Pjöngjang gibt. Putin hatte betont, dass Nordkorea auch Sicherheitsgarantien für den Fortbestand des Landes brauche, sollte es auf die Waffen verzichten.

Kim erklärte, er sei nach Russland gereist, um mit Putin intensiv zu beraten, wie die Stabilität der Region strategisch vorangebracht werden könne. "Wir konnten über die Geschichte unserer Beziehungen und über das Heute sowie die Entwicklung des bilateralen Verhältnisses sprechen", sagte Putin. Mit dem Treffen in Wladiwostok demonstrieren die beiden, dass die USA nicht die einzige Macht ist, um das Thema der atomaren Abrüstung Nordkoreas auf die Tagesordnung zu setzen. Russland ist als Nachbarland Nordkoreas an einer atomaren Abrüstung dort interessiert. Moskau setzt sich dafür ein, dass für Schritte bei der atomaren Abrüstung die Sanktionen gegen Pjöngjang gelockert werden.

Es folgen mehrstündige Beratungen der Delegationen

Im Anschluss an das Vier-Augen-Gespräch begannen die Delegationen beider Länder mehrstündige Verhandlungen. Nach russischen Angaben war aber zunächst nicht geplant, dass Vereinbarungen unterzeichnet werden. Auch eine gemeinsame Gipfelerklärung war demnach nicht vorgesehen. An den Gesprächen im äußersten Osten Russlands nahm auch der russische Außenminister Sergej Lawrow teil.

Es ist das erste Mal, dass Putin und Kim zu einem Gipfeltreffen zusammengekommen sind. Die Begegnung findet zwei Monate nach dem zweiten Treffen zwischen Kim und US-Präsident Donald Trump statt. Dieses Gespräch in Hanoi im Februar war ohne greifbares Ergebnis abgebrochen worden. Die USA fordern eine atomare Abrüstung und einen Stopp des Raketenprogramms des mit Sanktionen belegten Landes. Nordkorea will eine Lockerung der Strafmaßnahmen.

Zuvor das Treffen mit Trump

Kim ist seit 2011 an der Macht. Er hat mit mehreren Raketen- und Atomtests für erhebliche Unsicherheit in der Region gesorgt. Nach einem heftigen verbalen Schlagabtausch zwischen Kim und Trump kam es im Juni 2018 in Singapur zur ersten Begegnung zwischen einem US-Präsidenten und einem nordkoreanischen Machthaber. Kim und Trump verabredeten Schritte zur Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel. Bedeutende Fortschritte gab es dabei aber nicht.

Mitte April zeigte sich Kim zwar offen für ein drittes Treffen mit Trump, er stellte aber zur Bedingung, dass die USA mit der richtigen Einstellung teilnähmen. Er werde bis Jahresende warten, ob die USA zu einem Kurswechsel und mehr Flexibilität bereit seien. Zugleich warnte Kim vor der Gefahr neuer Spannungen. Nach dem Abbruch des Hanoier Gipfels im Februar stelle sich ihm die Frage, ob Nordkoreas Entgegenkommen und Dialogbereitschaft weiterhin die richtige Strategie seien.