Diese Woche steht im Zeichen der Mobilisierung der Arbeitnehmervertreter gegen den 12-Stunden-Tag. Heute starten AK und ÖGB mit der Hotline für die Erstberatung, die ganze Woche über gibt es Informationsversammlungen in den Betrieben und für Samstag, zeitgleich mit der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft in Schladming, wird zur Großdemonstration nach Wien gerufen.

Bei einer Betriebsrätekonferenz in Leonding bei Linz haben mehr als 1.000 Betriebsräte eine Resolution verabschiedet, in der die Nationalratsabgeordneten aufgefordert werden, dem Gesetzesentwurf nicht zuzustimmen. "Für die Planbarkeit von Arbeitszeiten, gegen Lohnraub, gegen Sozialraub" ist die Devise.

Am Freitag findet die Sondersitzung des Nationalrats statt, die die SPÖ gefordert hat. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wird vor den Vorhang gebeten und zur Arbeitszeitregelung befragt. SPÖ-Chef Christian Kern hat bereits ein Volksbegehren gegen den 12-Stunden-Tag erwogen, für den Fall, dass auf die Forderungen der Arbeitnehmervertretung nicht eingegangen wird.

Neos vermitteln

Für Mittwoch hat Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger alle Wirtschafts- und Sozialsprecher der Parteien zu einem Termin gebeten, um zu vermitteln. Die Neos sind für eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes, aber gegen die Art, wie die Regierung diese jetzt umsetzen will - ohne Begutachtungsverfahren und über die Köpfe der Arbeitnehmervertreter hinweg.

Die "Freiwilligkeit" im Gesetz müsse klar definiert werden, die Mitwirkung des Betriebsrats über Betriebsvereinbarungen und die Frage, in welcher Form Zeitausgleich konsumiert werden dürfe und Zuschläge anfallen. "Es gab ja einen Kompromiss, dem auch die Gewerkschaft zugestimmt hätte. Jetzt haben wir eine polarisierende Debatte, das brauchen wir nicht."

Ab heute Hotline

Ab heute gibt es dort " Erstberatungen zu überlangen Arbeitszeiten, Überstunden, fehlenden Zuschlägen", wie der ÖGB am Sonntag in einer Aussendung mitteilte.

Die Telefonnummer lautet: 0800 22 12 00 60, die Beratungszeiten sind von 9 bis 18 Uhr.

Schon jetzt gibt es im Arbeitsalltag zahlreiche Arbeitszeitkonflikte. Im Jahr 2017 brachte allein die steirische Arbeiterkammer rund 500 Klagen aus diesem Titel ein. Hier ein Auszug dessen, woran sich die Geister zwischen so manchem Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern scheiden:

Beispiel 1: Überstunden am Bau

In fünf Wochen leistete ein Arbeiter am Bau 86 Überstunden – rund 17 Überstunden pro Woche mit einer Gesamtarbeitszeit von 57 Stunden wöchentlich.

An Überstunden-Entgelt inklusive Zuschlag wurde im Wege einer Klage ein Betrag von etwa 1.950 Euro geltend gemacht.

Beispiel 2: All-In-Vertrag im Gastgewerbe

Für eine Großveranstaltung wurde ein Kellner über einen All-In-Vertrag für zehn Tage zu einem Nettolohn von rund 920 Euro beschäftigt. Er arbeitete täglich zwischen 13,5 bis 18 Stunden, wodurch es zu massiven Überstunden (99,5 Stunden) und Ruhezeitverletzungen (insgesamt 29,5 Stunden Ersatzruhe) kam.

Die AK klagte für ihn die Differenz von etwa 400 Euro ein.

Beispiel 3: Mehr als 12 Stunden täglich

3.000 Euro an Nachzahlung erhielt ein Dienstnehmer, der auf Anordnung seines Arbeitgebers zur Leistung von mehr als zwölf Stunden täglich und 50 Stunden wöchentlich angehalten wurde.

Das Arbeitsgerichtsverfahren wurde im Wege eines Vergleichs beendet.

Beispiel 4: Überstunden in der Zustellung

Ein Fahrverkäufer einer Bäckerei leistete statt den vereinbarten 48 Stunden rund 180 Stunden pro Monat. Zudem wurde er unter Kollektivvertrag bezahlt und bekam weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld oder Zulagen. Als er im Krankenstand war, kündigte ihn der Chef, weil er zuvor seine Ansprüche geltend gemacht hatte.

Vor Gericht wurden dem Mann 14.350 Euro zugesprochen.

Beispiel 5: Mehrfach-Dienstzettel

Ein Unternehmen stellte einer Arbeitnehmerin für ein und dasselbe Dienstverhältnis mehrere Dienstzettel aus. Je nach Auftragslage wurden zeitgleich mehrere Dienstzettel ausgehändigt. Vorteil ergab sich daraus für die Reinigungskraft keiner. Denn für die Berechnung des Urlaubs- oder Weihnachtsgeldes oder einer Entgeltfortzahlung im Urlaub oder Krankenstand wurde nur der niedrige Grundbezug
herangezogen.

Beispiel 6: Korrektur im Nachhinein

Eine Arbeitnehmerin schilderte, dass ihre Vorarbeiterin immer wieder mit „Bestätigungen“ gekommen sei, die sie dann gleich an Ort und Stelle, noch in Gummihandschuhen, zu unterschreiben hatte. In Wirklichkeit waren es Dienstzettel, bei denen Ende des Monats die Arbeitszeit rückwirkend so abgeändert wurde, dass der Firma keine Mehrstundenzuschläge anfallen. So hatte die  Dienstnehmerin jeden Monat einen anderen Dienstzettel mit einem anderen Arbeitsausmaß.

Die Firma umging damit die Zahlung von Zuschlägen.

Beispiel 7: Zeitausgleich in der Gastronomie

Ein Restaurantleiter leistete regelmäßig Überstunden, grundsätzlich wurde für die Abgeltung dieser Mehrleistungen Zeitausgleich vereinbart, jedoch nur im Verhältnis 1:1, die gebührenden 50 Prozent Zuschläge für geleistete Überstunden wurden nie abgegolten.

Die AK machte für ihn alle Überstundenzuschläge für
einen Zeitraum von zehn Monaten geltend – insgesamt etwa 2.000 Euro.

Beispiel 8:Keine Pause im Verkauf

Da eine Verkäuferin einer Bäckerei großteils alleine arbeitete, konnte sie die gesetzliche Pause nicht konsumieren und oft dauerte ihr Dienst über zwölf Stunden. Die Überstunden wurden ihr durch Zeitausgleich abgegolten, aber ohne Zuschläge, nur im Verhältnis 1:1. Aufgrund der ständigen Belastung fiel die Frau in
ein Burn-out und musste in Krankenstand gehen – ihr Chef kündigte sie. Während des Krankenstandes wurde sie zudem von 40 auf 30 Stunden herabgesetzt.

Die AK klagte für die Frau die nicht bezahlten Überstunden und -zuschläge erfolgreich ein.