Der scheidende Gewerkschaftschef Erich Foglar hat anlässlich der Eröffnung des ÖGB-Bundeskongresses scharfe Attacken gegen die Regierung geritten. Noch nie habe es eine Regierung gegeben, die so klar eine Regierung von Industriebossen und deren Wünschen gewesen sei. Nirgendwo gebe es ein offenes Ohr für die Sorgen der Arbeitnehmer und der Sozialpartner.

Leichter fielen die harschen Worte Foglar wohl angesichts dessen, dass an prominenten Vertretern der Koalition zumindest zu Beginn der Eröffnung bloß Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (beide ÖVP) anwesend waren. Die bekamen einiges zu hören. Foglar meinte, dass die Arbeitnehmer die Zeche aller möglichen Regierungspläne im Sozialbereich zahlen werden müssen, "egal was die Marketing-Gurus behaupten". Wenn von Sparen im System gesprochen werde, sei das ein Etikettenschwindel: "Weil es gibt kein System ohne Menschen."

"Demokratiepolitische Bankrotterklärung"

Gleichzeitig warf der ÖGB-Chef der Regierung vor, besonders große Distanz zu den Gewerkschaften zu haben und daher auch die Sozialpartnerschaft nicht einzubinden: "Wenn man nicht an den Verhandlungstisch will, werden wir in den Betrieben informieren", kündigte Foglar an. In einem Fall richtete der Präsident explizit eine Bitte an die Regierung, nämlich von einer Abschaffung der Jugendvertrauensräte abzusehen. Denn diese seien ein "bildungspolitisches Bollwerk gegen Antisemitismus und Wiederbetätigung". Eine Abschaffung wäre eine "demokratiepolitische Bankrotterklärung", meinte Foglar angesichts von Umfragen, wonach gerade bei Jungen der Wunsch nach dem "starken Mann" wachse.

In seiner letzten großen programmatischen Rede warb Foglar, der am Donnerstag nicht mehr für den ÖGB-Vorsitz kandidiert und wohl Wolfgang Katzian zum Nachfolger bekommt, auch dafür, lange von der Gewerkschaft gehegte Pläne nun umzusetzen. So ist für ihn eine Arbeitszeitverkürzung angesichts der Digitalisierung unumgänglich. Auch dürfe es keine Denkverbote bezüglich einer Wertschöpfungsabgabe geben.

Seine fast zehnjährige Amtszeit bilanzierte Foglar positiv. Der ÖGB habe sich konsolidiert und neu strukturiert. Es gebe einen gut dotierten Streikfonds, anhaltend gute Vertrauenswerte und eine erfolgreiche Interessenspolitik mit einem Mitgliederzuwachs in den vergangenen beiden Jahren, freute sich der Präsident, der zum Abschluss seiner Rede vom Auditorium mit stehenden Ovationen gefeiert wurde.

Einen Rat hatte Foglar noch an die Regierung. Alle Bundesregierungen hätten bisher konstruktiven Dialog mit den Gewerkschaften gesucht, auch fast alle Parlamentsparteien: "Das zeichnet kluge und weise Regierungen aus", befand Foglar und heimste damit auch Applaus von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und dessen Vorgänger Heinz Fischer ein.

Wie erwartet regierungskritisch, aber noch nicht wirklich feurig startete zuvor die Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter in ihre Konferenz. Sowohl Rainer Wimmer, der mit 96,8 Prozent zum neuen FSG-Chef gewählt wurden, als auch der künftige ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian prangerten diverse Maßnahmen der Koalition an, hielten sich mit Drohungen aber noch zurück.

Katzian, der anlässlich seiner Kür zum Gewerkschaftschef den FSG-Vorsitz an Wimmer abgab, legte besonderes Augenmerk auf die geplanten Reformen in der Sozialversicherung. Man werde nun informieren, rechtlich prüfen und verhandeln, so man dazu eingeladen werde. Was bisher vorliege, lese sich wie ein "Kreuzzug gegen die Sozialversicherung". Die Gewerkschaft werde aber verhindern, "dass die Sozialversicherung zerschossen und auf der Müllhalde der Geschichte landen wird". Wimmer sah als einziges Ziel, die "roten Kassen niederzutrampeln".

Insgesamt versicherte Katzian, dass man auch unter einer VP/FP-Regierung nichts an Kampfkraft eingebüßt habe: "Wenn wir einen Schlag in die Magengrube bekommen, krümmen wir uns zwar auch, aber wir stehen wieder auf, geben Gas und kämpfen weiter."

Wimmer wiederholte, dass man sich vielleicht nicht heute oder morgen zu Kampfmaßnahmen entschließen werde. Ausschließen sollte man sie aber nicht, kündigte er Widerstand gegen geplante "Schweinereien" und eine Art Sklaverei, wie sie die Industrie anpeile, an. Dazu zählt für ihn etwa ein 12-Stunden-Tag ohne entsprechende Einbindung der Belegschaftsvertretung.

Wimmer fand Berichte, wonach das Programm der sozialdemokratischen Gewerkschafter eine Art Anti-Regierungsprogramm sei, durchaus zutreffend. Das ergebe sich daraus, dass zwei Drittel des Regierungsprogramms sich gegen Arbeitnehmer, Lehrlinge und Pensionisten richteten. Angeprangert wurden vom künftigen FSG-Chef etwa der Stopp der "Aktion 20.000" für ältere Arbeitslose oder die geplante Abschaffung der Notstandshilfe, durch die sehr viele Menschen in die Armutsfalle schlittern würden.

Verlangt wurde von Wimmer etwa eine Wertschöpfungsabgabe. Dazu brachte AK-Präsidentin Renate Anderl die Forderungen nach leichterer Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche aufs Tapet. Dazu brauche es eine Arbeitszeitverkürzung statt eines allgemeinen 12-Stunden-Tages, erklärte die Arbeiterkammer-Chefin.

Danach reihte sich auch SPÖ-Chef Christian Kern in die Reihe der Regierungskritiker ein. ÖVP und FPÖ warnte der Altkanzler, dass deren "Konterrevolution" sich letztlich gegen sie wenden könnte. Denn der soziale Friede sei es, der Österreich stark gemacht habe. Konkret hielt Kern der Regierung vor, einen "massiven Angriff auf den Sozialstaat" zu führen. Gelebt werde eine Politik, die nicht dem Gemeinwohl diene sondern eine, "wo sich der stärkste Ellbogen durchsetzt".

Jedoch sei allen gesagt, die der Meinung seien, Österreich könne sich keinen Sozialstaat leisten: "Dieser Wohlfahrtsstaat ist nicht das Ergebnis von, sondern die Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg." Nicht umsonst habe die SP-geführte Regierung stärkeres Wirtschaftswachstum als in Deutschland und viele gute neue Arbeitsplätze hinterlassen. Und auch viele Unternehmer kämen gerne nach Österreich, wie der Ansiedlungsrekord im Vorjahr belege.

Der ÖVP hielt Kern einmal mehr vor, einzig die Politik ihrer Sponsoren zu vollziehen. Die FPÖ wiederum sei nur für ein paar Büros und Posten zum Steigbügelhalter geworden - und habe auch noch mit Herbert Kickl einen Innenminister, der mit der BVT-Affäre die Sicherheit der Österreicher gefährde und potenzielle Straftäter schütze, statt sich um radikale Islamisten zu kümmern. In Anspielung auf Kickls Projekt einer berittenen Polizei meinte der SPÖ-Vorsitzende: "Kauf ma ihm ein Steckenpferd."

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat bei seiner Eröffnungsrede zum 18. ÖGB-Kongress dem Gewerkschaftsbund demonstrativ den Rücken gestärkt: "Bleiben sie stark und selbstbewusst und setzen sie sich dafür ein, dass vom Wohlstand alle profitieren."

Davor hatte auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) dem ÖGB seine Unterstützung versichert und etwa betont, dass Herausforderungen wie die Digitalisierung nur mit den Sozialpartnern zu bewältigen seien. Ohnehin würden andere Staaten neidvoll auf das österreichische Modell der Sozialpartnerschaft blicken.