Keine Freude mit einem neu zu verankernden Staatsziel zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes haben die Experten. Über 40 Professoren von österreichischen Universitäten fordern in einem offenen Brief ein Überdenken des von SPÖ und ÖVP noch geplanten Vorhabens. Sie warnen vor einer Verwässerung des Klimaschutzes und sehen die von der Bundesregierung selbst verfolgte Klima- und Energiestrategie konterkariert.

Mit der Änderung des Staatszielgesetzes Umwelt und Nachhaltigkeit reagiert die Koalition auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts, das - aus Gründen des Umwelt- und Klimaschutzes - zumindest vorläufig den Bau der dritten Piste am Flughafen Wien-Schwechat untersagt. Mit der neuen Staatszielbestimmung sollen künftig wirtschaftliche Interessen gleichrangig mit Umwelterwägungen berücksichtigt werden müssen.

Klimaschutz "bloße Rhetorik"

Die Uni-Professoren beanstanden in ihrem der APA vorliegenden Schreiben zweierlei: "Die Außenwirkung, welche als Anlassgesetzgebung interpretiert werden kann, sowie das in diesem Antrag zum Ausdruck kommende völlig verkürzte Verständnis von nachhaltiger Entwicklung, welches gegen Wettbewerbsfähigkeit ausgespielt wird." Insgesamt entstehe der Eindruck, "dass aktiver Klimaschutz, sobald er nicht mehr bloße Rhetorik ist, sondern zu handfesten und kontroversiellen Entscheidungen führt, in Frage gestellt wird".

Ein solches Verwässern des Klimaschutzes durch die Aufwertung eng und kurzfristig definierter wirtschaftlicher Interessen gefährde eine "innovative und zukunftsorientierte Neupositionierung Österreichs auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen und in einer Zeit steigender Ungleichheit". Zugleich würde die Bundesregierung dadurch ihre eigene Klima- und Energiestrategie konterkarieren und internationale Verpflichtungen wie das Pariser Klimaabkommen gefährden. Den Gerichten würde es in Zukunft noch schwerer fallen, Entscheidungen zugunsten eines aktiven Klimaschutzes zu treffen.

Die Professoren, zu denen unter anderem Sigrid Stagl von der Wiener Wirtschaftsuniversität oder Daniel Ennöckl und Ulrich Brand von der Universität Wien gehören, fordern deshalb ein Überdenken der Entscheidung. Die Politik habe es bisher verabsäumt, durch eine öko-soziale Steuerreform für Klimaschutz und Beschäftigung wirtschaftlich attraktive Bedingungen für den Umbau der Volkswirtschaft zu schaffen. Die nun geplante Festlegung auf Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung und BIP-Wachstum drohe die sozial-ökologische Transformation des Wirtschaftssystems "bedeutend zu erschweren, wenn nicht gar zu verunmöglichen, da wirksame Anreize für innovative, kohlenstoffarme und zukunftsfähige Entwicklungspfade für Österreich fehlen würden".