16,09 Meter – das war bislang die Bestmarke von Anke Rehlinger. Am Sonntag legte die ehemalige Spitzensportlerin im Kugelstoßen nach. Dieses Mal in der Disziplin Politik. Die SPD-Herausforderin Rehlinger, 45 und bislang Wirtschaftsministerin einer großen Koalition, triumphierte bei der Landtagswahl im Saarland und darf nach den ersten Hochrechnungen mit einer absoluten Mehrheit rechnen. „Das Saarland hat rot gewählt. Nach 23 Jahren sind wieder stärkste Kraft an der Saar“, sagte Rehlinger unter dem Applaus der Parteifreunde. 

Das Saarland ist mit weniger als einer Million Einwohner das kleinste Flächenland der Bundesrepublik. Dennoch hatte die Wahl Signalwirkung. Nicht nur, weil vor fünf Jahren für die SPD hier der Zug von Angela Merkels Herausforderer Martin Schulz ins Kanzleramt stoppte. Das Votum am Sonntag war die erste Abstimmung seit der Bundestagswahl im vergangenen September – mitten in unruhigen Zeiten, vom Krieg in der Ukraine über steigende Spritpreise bis hin zur heftigen Inflation.

Die SPD wertete den Test denn auch gleich als Erfolg ihrer Politik der ausgleichenden Hand unter Kanzler Olaf Scholz. „Das ist ein Sieg Anke Rehlingers. Und die Bundespartei hat geholfen“, stellte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert fest. 

Trauma Lafontaine überwunden 

Ein Blick zurück: Die letzte absolute Mehrheit in einem Bundesland hatte 2015 Olaf Scholz in Hamburg geholt. Die SPD an der Saar profitierte neben Rehlingers Persönlichkeit noch von anderen Faktoren. Einer zerstrittenen AfD und einer gesplitterten Linken. Enttäuschten Traditionswählern, die aus Protest über den Agenda-Kurs von Gerhard Schröder abgewandert waren, machte das die Rückkehr zur SPD leichter. Im Saarland war das sogar mit einer Person verbunden: Oskar Lafontaine, ehemaliger Ministerpräsident im Saarland, ehemaliger SPD-Vorsitzender, ehemaliger Linken-Chef – und seit Sonntag auch ehemaliger Politiker. Lafontaine, 78, kandidierte bei der Wahl nicht wieder, aus der Linken ist er ausgetreten. Als Politiker ist er Geschichte. Somit verblasst auch das mit Lafontaine verbundene Spaltungs-Trauma der SPD. Die Partei darf von alter Stärke träumen. Zumindest an der Saar.

Die Linke ist gespalten – durch Putin

Die Linke verlor kräftig und sackte auf zwei Prozent ab. Eine historische Niederlage.Sie muss sich nach Lafontaine neu finden. Auch im Bund. Das Verhältnis zu Putin spaltet die Partei. Zuletzt hatte der Ältestenrat unter dem ehemaligen SED-Chef Hans Modrow eine beschwichtigende Analyse vorgelegt. Auch die Haltung zur Zuwanderung ist unklar. Lafontaines Frau Sahra Wagenknecht ist mit ihrem restriktiven Kurs in der Partei isoliert. Die Linke übt sich im Sektierertum. Das zieht nicht beim Wähler. Die neue Schwäche deutete sich schon bei der Bundestagswahl an. Die Linke muss fürchten (wieder) zur Regionalpartei Ost zu schrumpfen. 

Die AfD lag knapp über der Fünf-Prozent-Hürde. Das Ergebnis gibt zu denken. Im Bund wie an der Saar lähmen Richtungsdebatten und persönliche Differenzen die Partei. Der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen ist ausgetreten, die gesamte Partei darf laut Gerichtsbeschluss von Verfassungsbehörden offiziell als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft werden. Im Saarland trat sie wegen interner Streitereien nicht mit einer einheitlichen Landesliste an. Doch zieht die Rechtsaußen-Partei trotz aller internen Widrigkeiten in den Landtag ein. Am rechten Rand formiert sich stabiler Protest. 

Die echten Tests folgen im Mai

Die CDU sank auf unter dreißig Prozent. Sie mochte mit der Abwahl von Regierungschef Tobias Hans aber kein bundesweites Signal erkennen. Hans, 44, hatte vor vier Jahren Annegret Kramp-Karrenbauer im Ministerpräsidentenamt abgelöst. Er kündigte persönliche Konsequenzen an. Wie seine Vorgängerin zählte er zum liberalen Lager um Angela Merkel in der CDU. Das machte es der neuen Bundesspitze um den konservativen Friedrich Merz leicht, die Niederlage zu deuten. Die Ära Merkel ist Geschichte – auch an der Saar. „Das ist ein bitterer Abend“, sagte Generalsekretärin Mario Czaja und merkte in Richtung Saar spitz an: „Danke für das Engagement.“ Mehr war nicht. Merz hatte zuletzt sogar Wahlkampfauftritte vor Ort abgesagt. Nur nicht in falsche Fahrwasser kommen. 

Bleiben FDP und Grüne. Auch letztere lähmen an der Saar interne Querelen. Bei der Bundestagswahl war die Landesliste geplatzt. Mehr als peinlich. Nun zieht die Partei wieder in den Landtag ein. Allein das ist ein Erfolg. Von „einer Stimme für den Klimaschautz“, sprach die neue Grünen Bundeschefin Ricarda Lang. Auch die FDP durfte auf eine Rückkehr in den Landtag hoffen. Das Resultat vom Sonntag ist eine kleine Erinnerung: Auch unter Christian Lindner geht‘s nicht nur nach oben. Umso mehr spielte die Partei den Wahlausgang herunter: Ein Test-, kein Ernstfall. Dazu ist das Saarland schlicht zu klein. 

Die nächsten Tests folgen im Mai. Dann steht in Nordrhein-Westfalen eine bürgerliche Koalition von CDU und Liberalen zur Wahl und in Schleswig-Holstein ein Bündnis von CDU, FDP und Grünen. Dann geht es um Richtungsentscheide – auch für die CDU.