Nur wenige Veranstaltungen sind ein so trefflicher Seismograf für die Stimmung an der blauen Basis wie der politische Aschermittwoch in Ried. Vor Tausenden Anhängern holte auch heuer wieder FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zum Rundumschlag aus. Den größten Applaus erntete er, als er gegen Migranten und Islamisten vom Leder zog - und sich den ORF vorknöpfte. „Mancher ORF-Moderator schaut heute noch drein, als ob er auf eine saure Zitrone beißen würde, wenn er einen von uns interviewen muss.“ Vor einem Jahr hatte sich Strache im Vorfeld des Aschermittwochs auf Facebook mit ZiB-2-Moderator Armin Wolf angelegt und bemerkt: „Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden. Das ist der ORF.“ Strache musste sich später bei Wolf entschuldigen.

ORF als FP-Feindbild

Seit Jahrzehnten zählt der ORF zu den größten Feindbildern der FPÖ. Da sich die Freiheitlichen - zu Unrecht oder zu Recht - vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht ernst genommen fühlen, haben sie in den letzten Jahren systematisch alternative Informationskanäle aufgebaut, um in direkten Kontakt mit der blauen Basis zu treten. So weist Strache auf Facebook mehr Anhänger auf als Sebastian Kurz - der Vizekanzler kratzt an der 800.000er-Marke. Einer Auswertung des „Standard“ zufolge kommt die FPÖ auf Facebook auf 11,5 Millionen Interaktionen mit der Basis, die ÖVP auf bescheidene 3,7 Millionen.

Die FPÖ braucht am wenigsten den ORF, um mit dem Wähler zu kommunizieren. So überrascht es nicht, dass die Blauen im Zuge der für heuer geplanten ORF-Reform, wie es gegenüber der Kleinen Zeitung heißt, auf radikale Schritte drängen, die neben mehr Effizienz - und dem einen oder anderen Posten - die Entlastung des Gebührenzahlers inkludiert. In FPÖ-Zirkeln wird sogar die Abschaffung der Rundfunkgebühren erwogen, wie es von den Dänen vorexerziert wird. Dort springt der Staat, der Steuerzahler ein. Eine GIS-Senkung würde beim nächsten politischen Aschermittwoch in Ried bejubelt werden. Nach der EU-Wahl, spätestens im Herbst soll das ORF-Paket fixiert werden.

Einsparungen würden Landesstudios treffen

In der ÖVP hält sich die Begeisterung über einen Kahlschlag in Grenzen. Einsparungen würden die Landesstudios treffen, sechs der neun Bundesländer sind schwarz regiert. Auch die Abschaffung der Landesabgabe, die mit Ausnahme von Oberösterreich und Vorarlberg überall existiert, würde die Länder treffen. Nach dänischem Modell könnte der Bund die GIS-Gebühren, die dem ORF rund 600 Millionen bringen, übernehmen, Finanzminister Hartwig Löger sperrt sich mit Händen und Füßen dagegen: Müsste er diese Kosten auch noch übernehmen, wäre das angepeilte Nulldefizit nur noch eine Eintagsfliege.