Die Einigung auf ein Informationsfreiheitsgesetz hat der Koalition fast niemand mehr zugetraut. Zufrieden?

KAROLINE EDSTADLER: Ich bin tatsächlich froh, dass wir den wirklich steinigen Weg hin zu einem modernen Staat geschafft haben. Ich weiß aber auch, dass wir noch nicht ganz am Ziel sind.

Sie spielen auf die notwendige Zweidrittelmehrheit im Parlament an?

Ja. Ich habe noch am Donnerstag vor der Präsentation mit Vertretern von SPÖ, FPÖ und Neos gesprochen und die Änderungen im Vergleich zum Ministerialentwurf erläutert. Hier, so glaube ich jedenfalls, konnten wir doch einige Klarstellungen und Verbesserungen erzielen.

Warum hat die Koalition die Opposition nicht schon vorab eingebunden?

Ich habe in Summe rund 70 Gespräche geführt, nicht nur, aber eben auch mit Vertretern von SPÖ, FPÖ und Neos. Wir wollten viele einbinden, aber eben zuerst eine Einigung in der Koalition erreichen.

Einziger möglicher Partner wird wohl die SPÖ sein. Diese kritisiert unter anderem die Ausnahmeregelung für kleine Gemeinden. Ist das in Stein gemeißelt?

Diese Verhandlungen sind jetzt Sache des Parlaments. Als Verfassungsministerin stehe ich, wenn gewünscht, gerne unterstützend zur Verfügung. Ich bin lange genug in der Politik, um zu wissen, dass ein solches Projekt nicht einfach vom Parlament durchgewunken wird. Ich möchte aber schon betonen, dass es gute Argumente für diese 5000er-Grenze gibt, einfach weil der Verwaltungsapparat von kleinen Gemeinden dafür nicht geschaffen ist.

Es gibt Experten, die diese Unterscheidung sachlich für ungerechtfertigt halten.

In diese Vorlage ist alles hineingeflossen, was an Erwartungen, Sorge und Ängste zu diesem Thema präsent war. Jetzt ist das Parlament am Zug.

Nicht mehr Teil der Vorlage ist die geplante Einführung einer abweichenden Stellungnahme ("Dissenting Opinion") bei Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs, gegen die sich das Höchstgericht massiv wehrt. Werden Sie das trotzdem umsetzen?

Wir haben bewusst entschieden, alle Themen herauszunehmen, die nicht unmittelbar mit dem Grundrecht auf Zugang zu Informationen zu tun haben. Deshalb finden sich auch die Herabsenkung der Rechnungshofkontrolle und die Cooling-off-Phase für Verfassungsrichter nicht mehr in diesem Text.

Gegen die spricht sich auch niemand aus.

Deshalb steht sie auch im Regierungsprogramm. Bei der "Dissenting Opinion" kann ich allen Pro- und Contra-Argumenten etwas abgewinnen. Wir werden das zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden. Mit deklariert offenem Ausgang.

Österreich schert immer wieder aus dem EU-Konsens aus, aktuell blockiert der Innenminister die Schengen-Erweiterung. Im Gegenzug blockiert Rumänien Österreichs Nato-Kooperation.

Bei der Migration zählt Österreich zu den Meinungsbildnern, und hier bewegt sich etwas. Was Schengen angeht, war es richtig aufzuzeigen, dass ein System, das augenscheinlich nicht funktioniert, nicht auch noch erweitert werden sollte. Zuvor müssen die Lücken beim Außengrenzschutz geschlossen werden. Meine Hoffnung ist, dass die positive Dynamik innerhalb der EU beibehalten wird. Die Staaten an der EU-Außengrenze brauchen nicht nur schöne Worte, sondern auch finanzielle Unterstützung.

Wann gibt es eine Lösung?

Hoffentlich bald, aber das hängt auch von der Kommission ab. Es braucht den Rückgang der Migrationszahlen in Europa, einen besseren Außengrenzschutz und effektivere Zusammenarbeit mit Drittstaaten. Natürlich hat die österreichische Wirtschaft ein starkes Interesse an einer raschen Lösung.

Im Juni stehen EU-Wahlen an, spätestens im Herbst dann Nationalratswahlen. Danach könnten Kritiker der EU-Sanktionen gegen den Kreml gestärkt dastehen. Ist deren Unterstützung eine Koalitionsbedingung für die ÖVP?

Für mich ist völlig klar, dass Europa in einer solchen Krise zusammenstehen muss. Wer glaubt, hier ausscheren zu können, disqualifiziert sich selbst, und da geht es mir jetzt noch gar nicht um eine mögliche Koalition. Ich habe die Äußerungen der FPÖ zu den Sanktionen gegen den Kreml mehrfach und eindeutig kritisiert. Was FPÖ-Chef Kickl sagt, grenzt an jene Propaganda, die man in Russland zu hören bekommt.

Also doch eine Koalitionsbedingung?

Die Geschlossenheit Europas gegenüber Russland muss sichergestellt sein. Und ich gehe noch weiter: Wir müssen den Erweiterungsprozess beschleunigen. Natürlich kann niemand den Beitrittskandidaten die nötigen Reformen abnehmen, aber ich setze mich für die graduelle Integration ein, insbesondere der Partnerländer am Westbalkan. Wir wollen diese institutionell, administrativ und in konkreten Politikfeldern stärker an die EU heranführen und sie beispielsweise bei informellen EU-Räten einladen.