Der Gerichtsprozess rund um Florian Teichtmeister sorgte in den vergangenen Tagen für Diskussionen. Vor allem die Frage, ob das Strafmaß gerechtfertigt ist, steht im Fokus. Der Fall habe aber auch ein weiteres Mal vor Augen geführt, dass es einen umfassenderen Schutz von Kindern und Jugendlichen in Österreich braucht.

Das zeigt auch die jüngste Überprüfung vom Netzwerk Kinderrechte. Im Jahr 2020 wurde auf zahlreiche Mängel hinsichtlich der Umsetzung von Kinder- und Jugendrechten in Österreich hingewiesen. Ob sich seit dem Bericht etwas verändert hat, beantwortet Elisabeth Schaffelhofer-Garcia Marquez vom Netzwerk Kinderrechte so: "Grundsätzlich bestehen die meisten Probleme nicht nur seit drei Jahren, sondern seit Jahrzehnten."

Das Netzwerk Kinderrechte fordert deshalb ein Kinderrechtemonitoring. Auch Irmgard Griss, ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs und Vorsitzende der Kindeswohlkommission, schließt sich dieser Forderung an: "Denn Kinder- und Jugendangelegenheiten sind Ländersache und jedes Bundesland kann Kinderschutz anders umsetzen. Einheitliche kinderrechtliche Standards für ganz Österreich fehlen", so Griss.

Was würde sich durch ein Kinderrechtemonitoring verbessern?

Die Rechte von Menschen mit Behinderung werden durch den Monitoringausschuss laufend überprüft. Für die Rechte von Kindern gibt es so etwas aber nicht. "Dass es so ein Monitoring nicht gibt, ist ein Versäumnis", sagt Griss. Laut der Expertin vom Netzwerk Kinderrechte wären Elemente des Monitorings für Menschen mit Behinderung auch Vorbild für jenes von Kinderrechten.

Konkret würde damit geprüft werden, ob Kinderrechte in der Gesetzgebung und Vollziehung gewahrt werden. Laut Schaffelhofer-Garcia Marquez gehe es dabei um eine Stelle auf höchster staatlicher Ebene, die die Rechte von Kindern und Jugendlichen über alle Lebensbereiche und Bundeslandgrenzen im Blick hat. "Dafür braucht es aber auch eine Rückkopplung zum Parlament und den Ministerien, da Kinderrechte alle Bereiche betreffen. Wichtig ist auch, dass diese Arbeit kontinuierlich stattfindet", so die Expertin.

Im Bereich des Opferschutzes würde man mit einem Kinderrechtemonitoring erkennen, ob es genügend Anlaufstellen für Opfer von sexueller Gewalt gibt. Solche Anlaufstellen sind zum Beispiel Kinder und Jugendanwaltschaften, die Notrufnummer 147 oder Kinderschutzzentren. "Aus Studien wissen wir aber, dass Kinder, die Opfer von sexueller Gewalt wurden, sieben bis acht Anläufe brauchen, bis ihnen geglaubt wird. Es ist also jeder von uns gefragt, Kindern in solchen Fällen Glauben zu schenken", erinnert Schaffelhofer-Garcia Marquez.

Was die Regierung angekündigt hat

Als Reaktion auf den Fall Teichtmeister hat die Regierung ein Paket zum Schutz von Kindern und Jugendlichen angekündigt. Darin enthalten ist beispielsweise die Erhöhung des Strafmaßes von zwei auf drei Jahre für den Besitz pornografischer Darstellung einer mündigen minderjährigen Person. Auch der Ausbau von Cyberermittlungen durch Spezialisten in den Landeskriminalämtern oder eine Kinderschutzkampagne soll auf den Weg gebracht werden.

Ein Fokus dieses Kinderschutzpaketes liegt auf Präventivmaßnahmen wie der Implementierung von Kinderschutzkonzepten, die für Schulen verpflichtend sind. Das sei aber zu wenig: "Es geht dabei nicht nur um Schulen oder Kindergärten, auch Vereine müssten einbezogen werden, wenn sie mit Kindern zu tun haben. In diesem Bereich gibt es viel zu tun", sagt Griss.

Laut Justizministerium liegt der Entwurf zum angekündigten Kinderschutzpaket jetzt beim Koalitionspartner. Der Beschluss soll im Oktober folgen. "Ich gehe davon aus, dass das Paket beschlossen wird", sagt Magdalena Stern, Pressesprecherin des Justizministeriums. Die Frage, ob ein Kinderrechtemonitoring vorstellbar ist, wurde vom Familienministerium nicht beantwortet. Das Justizministerium verweist darauf, dass die Kompetenz beim Familienministerium liege. Laut Griss müsste das Kinderrechtemonitoring von Familien- und Justizministerium umgesetzt werden.

Woran scheitert gesamtheitlicher Kinderschutz?

Ein Beispiel für die Langlebigkeit der Probleme im Bereich Kinderrechte ist das Thema Kinderarmut. "Schon in den 90er-Jahren wussten wir, dass jedes fünfte Kind von Kinderarmut betroffen oder bedroht ist. Im Jahr 2023 ist diese Zahl unverändert", betont Schaffelhofer-Garcia Marquez. Das liege daran, dass Kinderrechte eine Querschnittsmaterie sind. "Oft führen diese dazu, dass sich nicht alle verantwortlich fühlen, sondern keiner", so die Expertin für Kinderrechte.

In vielen Bereichen wisse man laut Griss gar nicht, in welchem Maß Kinderrechte und vor allem Kinderschutzkonzepte umgesetzt werden. Einen Grund dafür, warum es noch immer keinen gesamtheitlichen Kinderschutz in Österreich gibt, sieht sie bei der mangelnden Koordination der Ministerien.

Laut Schaffelhofer-Garcia Marquez fehle es aber vor allem an politischem Willen, der sich schon durch alle Parteien zog. Das liege daran, dass Kinder und Jugendliche keine Gruppe mit Wählerpotenzial sind und keinen wirtschaftlichen Druck ausüben können. "Oft scheitert es auch an der Stärkung von Kinderrechten, weil bei gewissen Themen von Anfang an abgeblockt wird, da sie mit parteipolitischen Interessen in Zusammenhang gebracht werden. Für die Stärkung von Kinder- und Jugendrechten sollten wir aber alle sein", sagt Schaffelhofer-Garcia Marquez.

Weitere Baustellen im Bereich Kinderrechte

Einen weiteren Bereich, in dem es an der Umsetzung der Kinderrechte mangle, sieht die Expertin vom Netzwerk Kinderrechte bei Menschen mit Fluchterfahrung. Es herrsche immer noch die Situation, dass unbegleitete Minderjährige Monate in Österreich verbringen, ohne dass jemand die Obsorge übernimmt. "Es ist sicherlich keine Entschuldigung für Gewalt. Wenn wir diese unbegleiteten Kinder und Jugendlichen aber im Stich lassen, werden sie weder unsere Werte noch die Sprache lernen", betont Schaffelhofer-Garcia Marquez.

Ein Kinderrechtemonitoring würde sich also nicht nur auf das Thema Gewalt an Kindern beschränken, sondern alle Rechte von Kindern auf ihre Wahrung überprüfen. Wichtig in diesem Zusammenhang sei laut den Expertinnen das Thema Klimaschutz. Denn Kinder haben ein Recht auf eine intakte Umwelt. "Das Klimaschutzgesetz aus dem Jahr 2011 ist aber nahezu unwirksam", sagt Schaffelhofer-Garcia Marquez. Das zeige, dass Kinder in Österreich oft nicht von ihren Rechten in der Verfassung profitieren. Die Rechtsprechung könne das aber ändern.