Ein jüdisch erkennbarer Schüler, der auf dem Weg zur Schule in der U-Bahn-Station von drei Jugendlichen krankenhausreif geprügelt wird, wobei die Angreifer den Vorfall filmen, ein anderer Schüler, der nicht nur von seinen Mitschülern, sondern auch von seiner Lehrerin von einer Schule weggemobbt wurde. Van-der-Bellen- oder Michael-Ludwig-Plakate, die mit "Du scheiss Jud"-Parolen beschmiert wurden: Das sind nur einige Vorfälle aus dem jährlichen Bericht über antisemitische Vorfälle in Österreich, der von der Israelitischen Kultusgemeinde am Montag vorgelegt und von Präsident Oskar Deutsch präsentiert worden ist.

56 Prozent der Vorfälle mit rechtsextremem Hintergrund

In Summe war die Zahl der Übergriffe im vergangenen Jahr sogar rückläufig, sie ging um 25 Prozent auf 719 Vorfälle zurück, allerdings stieg die Anzahl der tätlichen Übergriffe bzw. der physischen Gewalt. "Wir sehen bei der Vielzahl der Übergriffe, dass die Opfer wie auch die Täter immer jünger werden. Das ist sehr besorgniserregend", so Deutsch in der Pressekonferenz. Von den 719 Vorfällen haben 55 Prozent einen rechtsextremen, 20 Prozent einen linksextremen und 16 Prozent einen muslimischen Hintergrund, bei den tätlichen Übergriffen überwiegen die muslimischen Täter. Grund für den Rückgang im abgelaufenen Jahr sei vor allem der Rücklauf bei den Coronaprotesten.

Kooperation mit Polizei "beispielhaft in Europa"

Ganz grundsätzlich: "Was mich in der Debatte stört, ist die politische Instrumentalisierung der Übergriffe, ob die Täter mehr aus der rechten oder der linken oder der migrantischen Ecke kommen. Mir ist es wurscht, woher er kommt. Jeder Übergriff ist einer zu viel."

Vier jüdische Schulen und 23 Synagogen in Wien

Deutsch enthüllt, dass heute bereits 25 Prozent des Budgets der Kultusgemeinde rein in die Sicherheit fließen. Die Kooperation mit der Polizei sei "beispielhaft für Europa". Wahrscheinlich sei es auch dieser Präsenz zu verdanken, dass im Unterschied zu vielen anderen Großstädten in Europa, etwa München, Brüssel oder London, sich in Wien nach wie vor sehr viele jüdische Mitbürger in der Öffentlichkeit mit der Kippa zeigen. In Wien leben 8000 Juden, die jüdische Community betreibt vier Schulen, 23 Synagogen, Altersheime, Sportstätte.

"Wir lassen uns nicht vertreiben"

"Wir lassen uns nicht vertreiben, wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir sind ein Teil von Wien und leben gern hier. Wir haben eine andere Religion, aber das sollte niemanden stören", betont Deutsch. Wegen des Kriegs in der Ukraine hätten sich 1100 jüdische Flüchtlinge in Wien niedergelassen, 200 hätten bereits einen Antrag auf Aufnahme in der Kultusgemeinde gestellt.

"Koalition mit FPÖ sollte ein Tabu sein"

Vor dem Hintergrund der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ in Salzburg betont der Präsident einmal mehr den von der Kultusgemeinde einstimmig gefassten Beschluss. "Es darf nicht sein, dass eine rechtsextreme Partei salonfähig gemacht wird. Sie darf nicht in irgendeine Regierung hinein." Das Argument der ÖVP, sie habe keine andere Wahl gehabt, sei absurd. "In Deutschland koalieren weder CDU noch SPD mit der AfD." In Niederösterreich oder in Salzburg hätten 75 Prozent der Wähler andere Parteien gewählt. "Da sollte doch auch andere Koalitionen möglich sein." Und: "Eine Koalition mit FPÖ sollte ein Tabu sein."