Normalerweise ist die Angelobung einer Landeshauptfrau, eines Landeshauptmanns in der Hofburg ein reiner Routineakt. Doch wegen Schwarz-Blau in Niederösterreich ging Bundespräsident Alexander Van der Bellen diesmal am Freitag zu Mittag einen anderen Weg. Unmittelbar vor der formellen Angelobung richtete Van der Bellen mahnende Worte an die Landeshauptfrau.

"Ich kann die Sorgen nachvollziehen"

In einem knapp zehnminütigen Statement verwies Van der Bellen in Gegenwart der Landeshauptfrau, die mit ihrem Gatten und einigen ÖVP-Politikern in der Präsidentschaftskanzlei erschienen war, auf die "mitunter kritischen Reaktionen", die der Schulterschluss "weit über die Grenzen Niederösterreichs hinaus" ausgelöst habe. Nicht nur Künstlerinnen und Künstler, auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Vertreter der Kultusgemeinde, selbst Spitzenfunktionärinnen und -funktionäre aus der ÖVP hätten Bedenken artikuliert. "Ich möchte aus meinem Herzen keine Mördergrube machen: Ich kann diese Sorgen nachvollziehen." Landeshauptmannstellvertreter Udo Landbauer und andere FPÖ-Politiker waren nicht bei der Angelobung als Zaungäste dabei.

Klare Absage an Öxit-Gerede

Er, Van der Bellen, gehe davon aus, dass Mikl-Leitner "Wissens- und Gewissensüberlegungen" angestellt habe. Van der Bellen hält einmal mehr fest, dass die EU-Mitgliedschaft "für den Frieden und den Wohlstand in unserer Heimat unverzichtbar" sei. "Wer mit der Idee eines Öxits und damit mit dem Austritt aus dem gemeinsamen Binnenmarkt auch nur spielt, spielt mit unserer Zukunft." Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union stehe nicht zur Debatte. "Dieses Gerede schadet unseren österreichischen Interessen, gefährdet unsere Arbeitsplätze und ist schädlich für eine positive Entwicklung unserer Heimat."

Auch seien die Grund- und Freiheitsrechte, die Menschenrechte, die Minderheitenrechte "unteilbar und unantastbar". Auch müsse der Respekt vor den Institutionen der liberalen Demokratie, vor der Bundesverfassung, vor dem Parlament, vor unserem Rechtsstaat, dem Verfassungsgerichtshof, den Medien "außer Frage stehen".

Kontrapunkt zum schwarz-blauen Corona-Papier

Sehr deutliche Worte fand Van der Bellen auch zur Corona-Debatte. "Fakten sind Fakten, und Wissenschaft und Forschung sind die Basis unseres Wohlstandes und Fortschrittes. Wir dürfen unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht verunsichern, indem wir Dinge infrage stellen, die wissenschaftlich einfach erwiesen sind."

Der Nationalsozialismus mit seiner mörderischen Ideologie verpflichte "zu einem genauen und scharfen Blick", damit sich die Geschichte nicht wiederhole. Van der Bellen zählt auf: "Schuldige suchen. Menschen herabwürdigen. Andersdenkende verhöhnen und verspotten. Grenzen dehnen. Das Unsagbare sagbar machen. Immer ein Stückchen mehr. An die niedrigsten Instinkte appellieren. Immer ein wenig mehr, sodass es vermeintlich nicht auffällt, was passiert. Aber es fällt auf!" Viele Menschen inner-, aber auch außerhalb Österreichs würden "sehr genau hinsehen, wie sich diese Landesregierung verhält".

In seiner Ansprache wies Van der Bellen ausdrücklich auf die vielen wertschätzenden Begegnungen mit Mikl-Leitner hin bzw. nahm die Landeshauptfrau von den Kritikpunkten aus. "Ich möchte betonen, dass ich in den vergangenen Jahren in zahlreichen Begegnungen und Gesprächen die Möglichkeit hatte, Sie als kompetente und integre Persönlichkeit kennenzulernen."