Während Grünen-Chef Werner Kogler in der Kleinen Zeitung einen Beitritt von Rumänien und Bulgarien 2023 klar als Ziel benennt, stellt die ÖVP Forderungen: Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) knüpft ein Ja Österreichs zum Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien an Fortschritte in der EU-Migrationspolitik.

Damit stellt sie sich hinter ihre Parteikollegen Kanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner, die das Veto mit stark steigenden illegalen Migration, auch über die Balkanroute, begründet hatten. Österreich verzeichnete bis Ende November bereits mehr als 100.000 Asylanträge, die meisten Anträge wurden von Afghanen, Syrern und Indern gestellt.

Viele der Asylsuchenden reisen nach der Registrierung aber wieder weiter: Anfang Dezember befanden sich 92.560 Personen in Grundversorgung. 56.000 davon sind allerdings nicht Asylwerbende, sondern Ukrainerinnen und Ukrainer. Auch sank die Zahl der neuen Anträge im November um mehr als ein Drittel im Vergleich zum Oktober.

Anträge in Drittstaaten und Verfahren an der Grenze

Europaministerin Edtstadler sieht das europäische Migrationssystem allerdings als gescheitert an: "Bisher haben wir kein gemeinsames europäisches Asylsystem, das funktioniert. Wir müssen uns eingestehen, dass Dublin III gescheitert ist, dass die Menschen nicht an der Außengrenze registriert werden". Alle Mitgliedstaaten könnten zu einem raschen Beitritt Bulgariens und Rumäniens zum Schengen-Raum beitragen, "indem sie an Lösungen mitarbeiten", so Edtstadler: "Das würde dann auch bedeuten, dass wir irgendwann die Grenzkontrollen an den Binnengrenzen wieder abschaffen."

Die Europaministerin will Verfahren an der EU-Außengrenze
Die Europaministerin will Verfahren an der EU-Außengrenze © APA/HANS KLAUS TECHT

Man werde die Schengen-Entscheidung nicht hinausschieben, bis das gesamte Asylpaket auf EU-Ebene mit zahlreichen Rechtsakten beschlossen sei, da dies einige Zeit dauern werde. "Aber man muss Stück für Stück diese Schritte gehen und einen Plan festlegen. Dann kann man sehr wohl wieder über das Thema Schengen-Erweiterung um Bulgarien und Rumänien sprechen", so Edtstadler.

Dafür stellt die Ministerin allerdings konkrete Bedingungen: "Es braucht die Möglichkeit, in sicheren Drittstaaten Asylanträge zu stellen", forderte die Europaministerin. "Darüber hinaus bedarf es Pilotprojekte zur raschen Abhandlung von Asylverfahren an den EU-Außengrenzen - und selbstverständlich auch der finanziellen Unterstützung der Länder, die an der Außengrenze geografisch gelegen sind."

Edtstadler nannte die Frustration Rumäniens und Bulgariens, nicht mit 1. Jänner dem Schengen-Raum beitreten zu können, "durchaus nachvollziehbar", verteidigte aber das Veto Österreichs. "Das Veto erfolgt nicht gegen einzelne Mitgliedstaaten, sondern gegen ein kaputtes System", sagte sie. Österreich führe "sehr gute Gespräche mit den beiden Ländern. Ich glaube, die Emotionen sind auch mittlerweile etwas runtergekommen."

Kogler sieht Ungarn in der Pflicht

Österreich wolle nun konstruktiv an einem Arbeitsplan arbeiten, denn: "Wenn wir diese Vision von einem Europa ohne Grenzen nach innen leben wollen, dann müssen wir zunächst den Außengrenzschutz sicherstellen, und erst danach können wir den Schengen-Raum erweitern." Es könne nicht sein, dass in einem Land wie Österreich, das inmitten von anderen Schengen-Staaten liege, 75 Prozent aller ankommenden Flüchtlinge nicht registriert seien, so Edtstadler.

Auch der grüne Vizekanzler Kogler sieht in der mangelnden Registrierung ein Problem, die Ursache verortet er gegenüber der Kleinen Zeitung aber an anderer Stelle: "Die Probleme liegen in Wahrheit bei Ungarn. Würden wir bei der Logik des Innenministers bleiben, dann müsste man Ungarn aus Schengen rausschmeißen, weil von dort die meisten nicht registrierten Übertritte nach Österreich stattfinden". Auch zeige Ungarn, dass ein Zaun allein nicht helfe, so Kogler.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne)
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) © Akos Burg

Edtstadler verteidigte Edtstadler hingegen den Einsatz von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), Bulgarien beim Bau physischer Barrieren an der EU-Außengrenze mit EU-Geldern zu unterstützen. Es sei notwendig gewesen, für andere Staaten einzutreten, bei denen "der Migrationsdruck besonders groß" sei. Wobei gelte: "Zäune sind natürlich nur eine von vielen Maßnahmen, die es zu setzen gilt, und die es bereits in elf von 27 Mitgliedstaaten gibt." Sie sehe bereits ein Umdenken in der EU-Kommission, erklärte die Europaministerin.

EU-Sondergipfel naht

Es sei ein erster Erfolg, dass schon im Februar ein EU-Sondergipfel zur Migration stattfinde. Edtstadler sagte, sie erwarte bis dahin "konkrete Aktionspläne, welche Maßnahmen gesetzt werden müssen, und dass diese Maßnahmen dann auch umgesetzt werden". Die vom Innenminister angesprochenen fünf Punkte seien wichtig. Es gebe viel umzusetzen, "zum Beispiel Fluchtursachen bekämpfen, konkrete Kooperationen mit Ländern in Nordafrika, die Kommunikationspolitik verbessern." Es müsse sich durchsprechen, dass nur bleiben könne, wer tatsächlich einen Asylgrund habe. Staaten, die ebenfalls mit hohen Migrationszahlen kämpften, seien bereits auf Österreich zugekommen. Edtstadler nannte Italien, Spanien und Polen.

Dass Österreichs Schengen-Veto innenpolitisch motiviert sei, schloss die ÖVP-Politikerin aus. "Wenn wir über 100.000 Asylanträge in einem Jahr haben, während Deutschland 200.000 hat bei einer zehnmal so großen Bevölkerung, dann brauche ich keine viel zitierte niederösterreichische Landtagswahl, um europäisch einmal zu sagen: so kann es nicht gehen."

EU-Beitritt der Ukraine vorstellbar

Vom jüngsten Korruptionsskandal auf höchster Ebene im Europäischen Parlament zeigte sich die frühere Richterin "schockiert". "Es braucht rasche und umfassende Aufklärung sowie eine strenge Bestrafung derer, die sich vermutlich die Säcke vollgestopft haben mit Geld", sagte Edtstadler. "Man muss sich genau anschauen, wer noch involviert ist."

Es gehe um das Vertrauen der Menschen in politische Institutionen, um die Demokratie als solches. Dass Katar nach den Vorwürfen mit Auswirkungen auf Gaslieferungen drohe, sei "keine schöne Äußerung. Ich gehe aber davon aus, dass man voll kooperiert, gerade vor dem Hintergrund, dass Katar für die Zukunft Europas im Bereich der Energieversorgung eine wichtige Rolle spielen kann."

Edtstadler sagte, sie könne sich einen EU-Beitritt der Ukraine vorstellen, wenn das Land den Reformweg fortsetze. "Die Ukraine zeigt jetzt unglaublichen Ehrgeiz und Willen, diesen Weg in die Europäische Union zu gehen. Ich war beeindruckt, als ich Ende November mit einer Delegation von Europaministerinnen nach Kiew gereist bin, wie stark der Wille ist zu zeigen, dass man diese Reformen angeht - und das, obwohl dieses Land nach wie vor im Kriegszustand ist." An der weiteren EU-Unterstützung für Kiew zweifelt Edtstadler nicht. "Aufgeben ist keine Option. Die Europäische Union ist absolut geeint in der Unterstützung und Solidarität für die Ukraine."