„Wir haben gelernt, dass Inszenierung zum politischen Geschäft gehört“, sagt eine Delegierte in der Mittagspause. Schon einige Stunden davor zeigt die Parteispitze, was damit gemeint ist. Bei strahlendem Sonnenschein marschiert Werner Kogler mit dem Grünen Regierungsteam und Klubobfrau Sigrid Maurer in strenger Formation über die Villacher Draubrücke. So geht Kitsch in Kärnten. Dazwischen klare Regieanweisungen. „Jetzt stehen bleiben für Fotos“, „hier bitte für Kameraschwenk“. Mit rund 300 Delegierten und Gästen zelebrieren die Grünen am Samstag im Congress Center Villach ihren Bundeskongress. Die Aktivistinnen und Aktivisten des Vereins gegen Tierfabriken (VGT), die vor dem Haupteingang in Schweinekostümen gegen Vollspaltenböden in der Tierhaltung demonstrieren, finden wenig Beachtung.

Die Stimmung ist gelöst. Lang anhaltender Applaus, Standing Ovations, Johlen, Jubelschreie gleich zu Beginn. Die demonstrative Einigkeit sollte sich durch diesen 44. Bundeskongress der Grünen ziehen. Die Kärntner Landessprecherin und Nationalratsabgeordnete Olga Voglauer, die mit 97,61 Prozent Zustimmung in den Bundesvorstand gewählt wird, gibt die Marschrichtung vor. „Jede und jeder von uns rennt für eines. Für den Planeten, denn es gibt keinen Planeten B“, sagt Voglauer, die 2023 mit den Grünen zurück in den Kärntner Landtag will und vor Verbauung von Seen und Almen warnt.

"Wir müssen mit dem Blödsinn aufhören"

Viel Applaus auch für die Statements von Umweltministerin Leonore Gewessler („Raus aus russischem Erdgas, das wird kein Spaziergang. Beim Öl haben wir es bereits geschafft.“) oder Gesundheitsminister Johannes Rauch („Ich bin 63, ich muss mich auf gut Deutsch nichts mehr scheißen.“), der einstimmig als Regierungsmitglied bestätigt wird. Es ist freilich nur der Vorlauf für Koglers Auftritt, der als "grüner Kapitän und krisensicherer Manager" positioniert wird.

Kogler, der 99 Prozent Zustimmung aus dem Jahr 2018 zu verteidigen hat, nützt seine einstündige Rede für bekannte programmatische Ansagen, Energiepolitik sei Sicherheitspolitik. „Wir müssen mit dem Blödsinn aufräumen, dass alles so bleiben kann, wie es ist“, sagt er und spricht von „Wirtschaftswende, Verkehrswende, Ernährungswende und Energiewende“. Kogler, dem Amtsmüdigkeit nachgesagt wird, von der hier niemand etwas wissen will, hat man trotz aufgekrempelter Hemdsärmel schon kämpferischer gesehen.

"Gießkanne wohnt wieder an der Zapfsäule"

Die eine oder andere Pointe, Seitenhiebe in Richtung Koalitionspartner oder frühere OMV-Manager dürfen aber nicht fehlen. „Der nächste Untersuchungsausschuss könnte sich damit beschäftigen, wer uns wie die Abhängigkeit von russischem Erdgas vorsätzlich eingebrockt hat“, sagt Kogler. „Manchmal hat man den Eindruck, die Gießkanne wohnt wieder an der Zapfsäule.“ Es könne nicht sein, dass „Diesel-SUV, die über den Ring cruisen“, von einer Mehrwertsteuer-Senkung profitieren. „Die Zusammenarbeit in der Regierung ist gut“, wiederholt der Vizekanzler dreimal und spricht von einer „tragfähigen Koalition“. Und: "Manche katholischen Traditionen wie Buße oder Beichte sind ja nicht schlecht."

Die zur Schau gestellte Harmonie spiegelt sich in der bescheidenen Anzahl an Anträgen, wenig inhaltlichen Diskussionen und im Wahlergebnis für Kogler wider. Von 251 gültigen Stimmen erhält der Parteichef 242, das ergibt eine Zustimmung von 96,41 Prozent – das drittbeste Ergebnis in der Geschichte. "Wir sollten nicht übermütig werden", sagt Kogler, der beim Buffet angeregt mit dem steirischen EU-Abgeordneten Thomas Waitz über den Ausstieg aus russischem Gas diskutiert. Waitz warnt vor einem "Angriff der Industrie auf Klima- und Umweltpolitik". Eineinhalb Stunden früher als geplant endet der Bundeskongress. Auch das ein Beweis für die anhaltende Harmonie in Grün.