Chats von Investor Siegfried Wolf zeigen, wie dieser bei Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gedrängt hat, in den USA gegen die gegen seinen Geschäftspartner Oleg Deripaska verhängten Sanktionen zu intervenieren. Zudem liefern sie Einblicke in die Bestellvorgänge für die staatliche Beteiligungsgesellschaft ÖBAG. Demnach war Wolf ab den türkis-blauen Koalitionsverhandlungen in Personalia eingebunden und offenbar selbst im Gespräch für den Chefsessel.

Deripaska auf US-Sanktionenliste

Wolf ist ein enger Vertrauter des russischen Oligarchen Deripaska, dessen Unternehmen seit 2018 - nicht wegen des aktuellen Krieges gegen die Ukraine - auf der US-Sanktionenliste stehen. "Sebastian guten Morgen - wenn du heute mit US redest dann sollten die uns bitte sagen was US noch von uns verlangt?", schrieb Wolf am 6. November 2018 laut einem der APA vorliegenden Amtsvermerk. Einen Monat später bat er Kurz, den einstigen US-Finanzminister Steve Mnuchin oder Außenminister Mike Pompeo anzurufen: "Ich brauche nochmal deine Hilfe in meiner Angelegenheit."

Während der USA-Reise des Kanzlers im Februar 2019 meldete sich Wolf abermals wegen der Sanktionen gegen Deripaskas Autokonzern GAZ, an dem auch Wolf beteiligt ist: "Lieber Sebastian - guten Morgen. Sag konntest du etwas erreichen? Bitte um Info - Danke Sigi", schrieb er am 21. Februar 2019. "Lieber Sigi! War sehr, sehr gut. Bitte lass uns direkt reden sobald ich in Wien bin. AL", lautete die Antwort.

ÖBAG-Besetzung

Laut dem Amtsvermerk der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft tauschte sich Wolf außerdem über die Neubesetzung des Nominierungskomitees der ÖBAG aus. So ging Günther Helm, einstiger Chef des Diskonters Hofer und später im Aufsichtsrat der ÖBAG, noch am 19. Jänner 2019 gegenüber Wolf davon aus, dass dieser den Vorsitz erhalte ("schlussendlich hat ja alles so geklappt wie von uns geplant oder? Du Vorsitz. ich mache normales Mitglied"). Etwas später schrieb Wolf zurück, dass er "noch" nicht könne, aber bereits alles "abgesprochen" sei.

Wolf gab in seiner Vernehmung als Zeuge gegenüber der WKStA auch an, dass Kurz ihn zwar gerne als "Verantwortungsträger" in der ÖBAG gesehen hätte, aber er mit ihm nichts zur ÖBAG vereinbart habe. Kurz habe ihn an Hartwig Löger als zuständigen Minister verwiesen. Der habe ihn wegen des Aufsichtsratspostens aber nicht gefragt, heißt es in dem Aktenvermerk der WKStA. Löger gab als Beschuldigter in seiner Vernehmung an, dass er mit Wolf nicht über den Posten gesprochen und einen diesbezüglichen Vorschlag von Kurz nicht aufgenommen habe.

Anwalt sieht Kurz entlastet

Der Rechtsanwalt von Sebastian Kurz, Werner Suppan, sieht - konfrontiert mit dem Amtsvermerk - seinen Mandanten ein weiteres Mal entlastet. Seine im Juli 2020 im Ibiza-Ausschuss gemachten Aussagen haben Kurz die Ermittlungen eingebracht. Der Kanzler hatte dort nämlich seine Rolle bei der Bestellung der Aufsichtsräte der Staatsholding sowie bei Thomas Schmids Kür zum Vorstand der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖBAG heruntergespielt. Kurz hat seither öffentlich und auch bei seiner Befragung durch einen Richter jeden Vorwurf der Falschaussage zurückgewiesen.

"Der Verdacht der WKStA, Kurz habe vor dem Ausschuss vorsätzlich falsch ausgesagt, indem er verneint habe, die politische Entscheidung über die Bestellung zum ÖBAG-Aufsichtsrat getroffen oder diese maßgeblich beeinflusst zu haben, fällt damit einmal mehr in sich zusammen", heißt es in einer Stellungnahme Suppans gegenüber der APA. Die neuen Chats bewiesen nämlich mit Nachdruck, "dass der Finanzminister sogar explizit entgegen dem Wunsch des damaligen Kanzlers Kurz entschieden hat". Die Aussage von Kurz, der Finanzminister habe entschieden und nicht er, sei damit als "eindeutig wahr dargelegt".

Ein weiteres Indiz für eine Entlastung des Ex-Kanzlers ist für Suppan außerdem, dass die WKStA in ihrem Aktenvermerk den Verdacht nicht erhärtet sieht. Stattdessen heißt es in dem Dokument nur, dass der Tatverdacht weiter aufgeklärt werde.