Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat nach heftiger Kritik an von ihm getätigten fragwürdigen historischen Vergleichen zum Teil zurückgerudert. Der Nationalratspräsident hatte im Interview mit den Mediaprint-Chefredakteuren den Angriff Russlands auf die Ukraine mit der Situation in Österreich 1945 – der Befreiung vom NS-Regime – verglichen. Dies sei "unpassend" gewesen, sagte ein Sprecher des Nationalratspräsidenten am Samstag.

Zunächst spricht sich Sobotka für die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine aus. Mit der Maßgabe allerdings, das strategische Ziel müsse sein, dafür zu sorgen, dass möglichst wenige Flüchtlinge überhaupt erst das Land verlassen: "Wir müssen schauen, dass die Ukrainer in der Ukraine bleiben und dass sie ihr Land letzten Endes verteidigen und ihre Identität wahren", sagt Sobotka in einem "profil"-Interview.

Und weiter: "Was wäre gewesen, wenn 1945 alle aus Österreich geflohen wären?", vergleicht Sobotka den russischen Einmarsch mit der Besetzung durch die Alliierten.

Sobotka will sich nicht "rauskicken" lassen

Auch zum bevorstehenden ÖVP-U-Ausschuss hat der ehemalige Geschichtelehrer eine historische Parallele zu bieten: "Es wird nicht möglich sein, mit permanenten Unterstellungen jemanden rauszukicken", so Sobotka zu neuerlichen Aufforderungen, er solle den U-Ausschuss abgeben. Und weiter: "Dann könnte man auch die Zweite Präsidentin und den Dritten Präsidenten rauskicken. Und wer soll es dann machen? Das haben wir schon einmal gehabt – 1933", referenziert Sobotka – mit dem Zusatz "ist natürlich nicht vergleichbar" – die Ausschaltung des Parlaments durch die austrofaschistische Diktatur.

Damals waren alle drei Parlamentspräsidenten zurückgetreten – Kanzler Dollfuß ließ daraufhin das Parlament besetzen, bevor dieses sich wieder versammeln konnte.

(Was der Präsident dabei außer Acht lässt: Die Verfahrensordnung lässt dem Präsidenten heute durchaus die Möglichkeit, auch Vertreter von außerhalb des U-Ausschusses zu ernennen.)

Die Aussagen zur Ukraine finden sich in dem Videogespräch etwa ab 26:40, jene zum U-Ausschuss etwa ab 36:20.

SPÖ: "Fassungslos", Neos: "Völlig jenseitig"

"Fassungslos" zeigte sich SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried über die "unerträglichen Geschichtsvergleiche" Sobotkas. "Wenn Sobotka die Lage der Ukraine mit Österreich 1945 gleichsetzt - also den Angriffskrieg Russlands mit der Befreiung Österreichs vom NS-Regime –, dann ist das eine Schande", meinte Leichtfried. Die Aussagen zur Ausschaltung des Parlaments 1933 seien wiederum ein weiterer Beleg, "dass er für das Amt ungeeignet ist".

Ähnlich reagierten die Neos. "Das sind völlig jenseitige Vergleiche. Als Historiker weiß Präsident Sobotka das auch. Ich appelliere eindringlich an ihn, diese Aussagen umgehend zurückzuziehen und sich dafür zu entschuldigen", meinte deren stellvertretender Klubobmann Nikolaus Scherak in einer Aussendung.

"Vergleich war unpassend"

Sobotka selbst reagierte auf die Kritik und bezeichnete seinen Ukraine-Vergleich mit Österreich 1945 als "unpassend", wie sein Sprecher ausrichten ließ. Er habe lediglich zum Ausdruck bringen wollen, "dass es wichtig ist, in allererster Linie vor Ort den Menschen zu helfen und diese zu schützen". Auf das von ihm erwähnte Jahr 1945 ging er in der schriftlichen Stellungnahme nicht mehr ein, sondern betonte sein Engagement für das Projekt "Lächeln schenken – Verantwortung tragen" für sozial benachteiligte Waisenkinder aus Russland und der Ukraine.

Die Aussagen zum U-Ausschuss präzisierte Sobotka hingegen. Er habe zum Ausdruck bringen wollen, "dass heutzutage immer stärker mit Vorverurteilungen gearbeitet wird, unabhängig von der tatsächlichen rechtlichen Grundlage", so ein Sprecher des Nationalratspräsidenten zur APA. Die Geschäftsordnung des Nationalrates sehe Befangenheit für Abgeordnete – wie es auch die Präsidenten sind – nicht vor, da sie durch die Wahl legitimiert seien. Die Keule der Befangenheit könnte so gegen jeden Vorsitzenden gerichtet werden, was zur Folge hätte, dass der U-Ausschuss nicht durchgeführt werden könnte. Der Vergleich mit dem Jahr 1933 habe sich daher ausschließlich auf die Rücktritte von Vorsitzenden und nicht auf das von der Polizei des Dollfuß-Regimes verhinderte Zusammentreffen des Nationalrates bezogen.