Ein Fragenkatalog, der an das Gesundheitsministerium adressiert ist, den Briefkopf des Verfassungsgerichtshofs aufweist und die elektronisch unterfertigte Unterschrift eines Höchstrichters trägt, sorgt derzeit in den sozialen Medien für große Aufregung. Das fünfseitige Papier, das mit 26. Jänner datiert ist, bittet dringend um Aufklärung „zur Vorbereitung einer allfälligen mündlichen Verhandlung am Höchstgericht.“ Die Fragen drehen sich nahezu ausschließlich um die Zählweise auf Normal- und Intensivstationen bzw. um die Wirksamkeit der Impfung, also um Themen, die gerade unter Corona-Skeptikern sehr en vogue sind.

Das Papier polarisiert in den sozialen Medien. Manche meinen, der Verfassungsgerichtshof prüfe bereits die Rechtmäßigkeit der Impfpflicht, andere sind überzeugt, bei dem Schreiben handle es sich um eine gut gemachte Fälschung. Der Höchstrichter ist nicht ganz unumstritten: Hauer ist Uni-Professor für Öffentliches Recht, Burschenschafter, stammt aus Oberösterreich und wurde von der FPÖ für den VfGH nominiert.

Hundert Covid-Verfahren anhängig

Eine Sprecherin des Verfassungsgerichtshofs bestätigt gegenüber der Kleinen Zeitung die Echtheit des Papiers: „Das Dokument ist authentisch. Es bezieht sich allerdings nicht auf ein noch gar nicht existierendes Verfahren zur Impfpflicht.“  Am VfGh sind derzeit gut hundert Covid-Verfahren anhängig, die von einzelnen Richtern bearbeitet werden. Hauer ist einer der zahllosen Richter, die auch mit Covid-Verfahren betraut sind. Dass im Vorfeld einer möglichen Verhandlung eine Stellungnahme eingeholt wird, ist ein Routinevorgang ist. Entscheidungen fallen allerdings immer im Kollegium.

Ausgehend von einem Zeitungsbericht unter dem Titel „Wirkt die Impfung überhaupt?“ bittet der Verfassungsgerichtshof penibel um Auskunft über die Zählweise in Spitälern, ob zwischen Personen, die "an oder mit SARS- CoV-verstorben sind“, differenziert wird. Die Fragen gehen sehr ins Detail: „Wie hoch ist das Durchschnittsalter und wie hoch ist das Medianalter der wegen COVID-19 auf Normalstationen und auf Intensivstationen hospitalisierten Personen sowie der an COVID-19 verstorbenen Personen.“  Der VfGH will auch wissen, welche Virusvarianten „tagesaktuell zu welchen Prozentsätzen bei Infizierten bzw. Hospitalisierten bzw. Verstorbenen vertreten“ sind.

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Ähnlich detailliert die Fragestellungen zur Wirksamkeit der Impfung: Wie hoch ist „durchschnittlich die 7-Tage-Inzidenz  bei Personen ohne Schutzimpfung gegen COVID-19, bei Personen nach der Zweitimpfung, aber vor Ablauf von 14 Tagen nach der Zweitimpfung, dann bei Personen mit abgeschlossener Impf-Grundimmunisierung (ohne Booster-Impfung) und schließlich bei Personen mit Booster-Impfung?“