Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) ist mit seinem Begehren auf eine Einstweilige Verfügung gegen den Tweet, die ÖVP sei "vergesslich oder korrupt", auch in der zweiten Instanz gescheitert. Das Oberlandesgericht Wien bestätigte die Entscheidung des Handelsgerichts Wien, dass kein Wertungsexzess vorliegt.

Der Pensionist Wolfgang P. hatte Anfang März - unter Bezug auf die Hausdurchsuchung beim Blümel - unter anderem gepostet: "Die jetzige türkise Führung ist nur mehr korrupt und machtgeil. Und wenn mich auch der laptoplose Blümel klagt, diese Partei ist vergesslich oder korrupt." Blümel klagte ihn tatsächlich, und zwar strafrechtlich wegen übler Nachrede und beim Handelsgericht auf Unterlassung samt Einstweiliger Verfügung.

Keine Einstweilige Verfügung

Erstes war zumindest einmal in erster Instanz erfolgreich, P. wurde zu einer teilbedingten Geldstrafe von 4.200 Euro verurteilt - und hat dagegen Berufung eingelegt. Zweiteres ist nunmehr auch in zweiter Instanz gescheitert. Denn das von Blümel nach der Ablehnung einer Einstweiligen Verfügung (per Rekurs) angerufene Oberlandesgericht Wien war derselben Meinung wie das Handelsgericht.

Der Durchschnittsadressat dieses Twitter-Postings werde die inkriminierte Äußerung nicht so verstehen, dass dem Kläger strafbares Handeln vorgeworfen werden soll - sondern als kritische Wertung des Handelns der "türkisen Führung" inklusive Blümel, wird im OLG-Beschluss ausgeführt.

"hinreichendes, wenn auch dünnes Tatsachensubstrat"

Die Formulierungen "mögen zwar eine grob formulierte Unmutsäußerung und Wertung sein". Aber Artikel 10 der Menschenrechtskonvention schütze "nicht nur stilistisch hochwertige, sachlich vorgebrachte und niveauvoll ausgeführte Bewertungen, sondern jedwedes Unwerturteil, das nicht in einen Wertungsexzess gipfelt". Einen solchen habe P. nicht begangen. Denn für seine Äußerung liege ein "hinreichendes, wenn auch dünnes Tatsachensubstrat" vor. Also sei die von Blümel inkriminierte Äußerung vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.

Der Finanzminister habe zwar recht damit, dass die gegen ihn geführten Ermittlungen allein eine solche Äußerung nicht rechtfertigen könnten. Aber, merkt das OLG Wien an, die bekannten Chat-Nachrichten zwischen Blümel und Thomas Schmid bzw. Schmid und Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann (über den "kurzen Termin" wegen Spende und Italien-Problem, "tu es für mich") würden "eine gewisse nepotistische Haltung" der für die ÖVP handelnden Personen nahelegen. Außerdem verweist das OLG auf Blümels U-Ausschuss-Aussage, er habe keinen Laptop - und merkt an: "Kurz darauf wurden Fotos veröffentlicht, die den Kläger am Laptop arbeitend zeigen."

Gegen diese Entscheidung des OLG kann Blümel allenfalls noch ein außerordentliches Rechtsmittel - einen Revisionsrekurs - einlegen. Dafür müsste er allerdings nachweisen können, dass das OLG eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung für Rechtseinheit, Rechtssicherung und Rechtsentwicklung falsch beurteilt hat.