Am Ende einer von Bäumen eingerahmten Auffahrt erscheinen sie, die prächtigen Mauern von Schloss Schwarzau in Niederösterreich. Kaiser Karl und Prinzessin Zita von Bourbon-Parma gaben sich hier 1911 das Ja-Wort, schon Napoleon nächtigte in einem der Zimmer. Wer dieser Tage hier schläft, tut das nicht freiwillig. Denn das ehemalige kaiserliche Jagdschloss ist heute eine Justizanstalt (JA).

Schwarzau ist Österreichs einziges Gefängnis mit ausschließlich weiblichen Häftlingen. 134 Frauen sind hier aktuell untergebracht, erzählt Anstaltsleiter Gottfried Neuberger in seinem geräumigen Büro, das Wandfresken zieren. „Der Großteil von ihnen sitzt wegen Eigentumsdelikten und Raub, aber auch zahlreiche Suchtgiftdelikte sind dabei.“ 25 Insassinnen wurden Tötungsdelikte zur Last gelegt. Die Verurteilungen reichen hier von 18 Monaten bis lebenslänglich. „Bei uns gilt quasi das Motto: von der Wiege bis zur Bahre.“ Die älteste Insassin ist 81 Jahre alt, der jüngste Bewohner ist ein acht Monate alter Säugling.

"Normales" Leben im Mutter-Kind-Trakt

Die JA Schwarzau hat einen eigenen Mutter-Kind-Trakt, in dem Frauen mit ihren Kleinkindern leben. Bis diese drei Jahre alt sind, teilen sie sich mit ihren Müttern geräumige, mit bunten Stickern verzierte Zellen und besuchen den hauseigenen Kindergarten. Zwei Mütter und zwei kleine Kinder leben aktuell hier, eine Insassin ist im siebten Monat schwanger.

"Wir versuchen, den Kindern ein möglichst normales Leben zu bereiten“, sagt Neuberger, während eine Beamtin mit einem der vielen großen Schlüssel an ihrem Bund die schwere Tür zum Trakt öffnet. Ein Streichelzoo, weitläufige Grünanlagen am Areal sowie regelmäßige Ausflüge in Familienparks, Geburtstagsfeiern und Fotoaufnahmen ohne sichtbare Gitterstäbe helfen dabei. Das Schloss steht unter Denkmalschutz, „deshalb sind wir wohl die einzige Justizanstalt mit Parkett in den Zellen“, sagt Neuberger, während er durch „sein“ Haus führt. „Aber auch ein goldener Käfig ist ein Käfig.“

Blauensteiner und "Eislady" saßen hier

In einem großen Raum nebenan sitzen mehrere Frauen an Tischen und schrauben. Für diverse Betriebe werden hier Dinge angefertigt, in der Wäscherei auf der anderen Seite des Areals wird hauseigene und -ferne Wäsche gereinigt. „Alle Insassinnen sind bei uns bis zur Pension berufstätig“, sagt Neuberger. „Und sogar länger, wenn sie das wollen.“ Dieser Tage werden einige von ihnen auch für die Fleischerei und die Landwirtschaft angelernt. Abteilungen, die bisher eine Hand voll Männer übernommen hatte, die bis vor kurzem am Nebenareal als Freigänger untergebracht waren. „Das schaffen die Frauen aber auch“, sagt eine Beamtin.

Unfreiwillige Heimat war das Schloss auch schon für zahlreiche prominente Mörderinnen. Die „Schwarze Witwe“ Elfriede Blauensteiner saß hier bis zu ihrem Tod, die Doppelmörderin Estibaliz Carranza („Eislady“) wurde inzwischen in die Justizanstalt Asten verlegt. Regina Grabenweger hat sie alle kommen und gehen gesehen. Seit 30 Jahren arbeitet die Justizvollzugsbeamtin im Haus, über dessen Historie sie stundenlang erzählen kann. Aber auch von den Schicksalen, die ihr hier begegnen. „Beinahe alle Taten dieser Frauen haben eine Vorgeschichte. Eine Insassin wurde zum Beispiel 40 Jahre lang von ihrem tyrannischen Ehemann misshandelt. Bis sie ihn eines Tages erschlagen hat.“

Angriffe auf die Wache

Auch Grabenweger wurde in ihrer Dienstzeit bereits mehrfach angegriffen. Aus dem Würgegriff einer Insassin wurde sie einmal mithilfe eines Mithäftlings befreit. „Man lernt in diesem Beruf, die Menschen einzuschätzen, aber immer gelingt uns das nicht“, sagt sie. Die Beamtinnen und Beamten haben es immer wieder mit „Scheinführungen“ zu tun. „Dabei geben sich die Insassinen vor uns nett und kooperativ. Sobald sie sich aber unbeobachtet fühlen, zeigen sie ihr wahres Gesicht und werden zu Despoten. Die Blauensteiner war auch so eine.“

Dass viele der Insassinnen in Schwarzau nach ihrer Entlassung wieder hier landen werden, weiß auch Justizministerin Alma Zadic (Grüne), die Schwarzau an diesem Nachmittag besucht. Mehr als die Hälfte der heimischen, zu Haftstrafen verurteilten Täter wird wieder rückfällig. „Dieser Ort zeigt, wie Resozialisierung im Strafvollzug gehen kann,“ erklärt sie. Dafür brauche es aber mehr finanzielle Mittel. „In diese Resozialisierung zu investieren, zahlt sich am Ende aber aus. Denn weniger Rückfalltäter bedeuten weniger Auslastung in den 28 Justizanstalten. Denn diese sind aktuell großteils zu hundert Prozent ausgelastet.“