Im Nationalrat wurde heute mit breiter Mehrheit die Neuaufstellung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusabwehr (BVT) beschlossen. Zentral ist dabei die Trennung zwischen Nachrichtendienst und staatspolizeilichen Aufgaben. Den bisherigen Landesämtern für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung soll künftig ausschließlich die Aufgabe des Staatsschutzes zukommen. Das bisherige BVT soll den Namen "Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst" tragen. Die "Meldestelle Extremismus und Terrorismus" wird gesetzlich verankert. 

Nur die Neos stimmten nicht zu - sie hätten sich noch mehr Kontrolle gewünscht. Alle Fraktionen und auch Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) einte das Lob für die Harmonie und Konstruktivität bei der gemeinsamen Erarbeitung des Gesetzes. Es sei "im Sinne des Verfassungsschutzes ein historischer Tag", betonte Karl Mahrer (ÖVP). Man sei vom Gegeneinander zum Miteinander gelangt, "das ist gut im Dienste der Demokratie, im Dienste des Parlamentarismus und im Dienste der Menschen".

Seitens der Opposition merkte Reinhold Einwallner (SPÖ) kritisch an, dass die breite Beteiligung des Parlaments nicht von Anfang an gegeben gewesen sei. Erst der Terroranschlag in Wien am 2. November des Vorjahres habe dies beschleunigt. Dennoch freute er sich über den nunmehrigen "Meilenstein in der parlamentarischen Kontrolle". Nun gehe es um eine Abkehr von der Personalpolitik der vergangenen Jahrzehnte und das Rückgewinnen des Vertrauens der internationalen Partnerdienste.

Ungewohnte Töne kamen von der FPÖ. Deren Mandatar Hannes Amesbauer dankte allen Fraktionen für die Zusammenarbeit und sprach von Beschlüssen, die gut für das Vertrauen der Bevölkerung in den Nachrichtendienst seien. Speziell hob er hier die Entpolitisierung der Führung hervor.

Eingerichtet wird eine unabhängige Kontrollkommission. Diese soll systemische Mängel und Optimierungsbedarf in der Organisation aufzeigen. Sie kann entweder aus eigenem Antrieb oder über konkretes Ersuchen des Innenministers oder des Ständigen Unterausschusses im Parlament tätig werden. Daneben soll die Kontrollkommission auch als Anlaufstelle für Whistleblower dienen. Die drei Mitglieder werden vom Nationalrat mit Zwei-Drittel-Mehrheit bestellt.

Anti-Terror-Paket

Bereits gestern hatte der Nationalrat als Reaktion auf den Anschlag in Wien am 2. November 2020 ein Anti-Terror-Paket beschlossen. Ablehnung kam von der FPÖ, der die Maßnahmen nicht weit genug gehen und die sich für die Identitären stark machte.

15 Maßnahmen enthält das Anti-Terror-Paket, darunter:

  • die Ausweitung der Fallkonferenzen
  • die Möglichkeit einer Fußfessel bei bedingter Entlassung von Personen, die nach dem Terrorparagraphen verurteilt wurden
  • ein Straftatbestand für "religiös motivierte Verbrechen"
  • eine Verschärfung der Bedingungen für die bedingte Entlassung
  • die Einführung eines Imame-Verzeichnisses
  • die Verpflichtung für Religionsgemeinschaften, ein Verzeichnis all ihrer Einrichtungen zu führen, und die Möglichkeit, radiale Moscheen etwa rascher schließen zu können
  • die Verpflichtung für Religionsgemeinschaften zu mehr finanzieller Transparenz zwecks Überprüfung des Verbots der Auslandsfinanzierung
  • ein Symbolverbot für islamistische Bewegungen aber auch für die Identitären
  • Die Möglichkeit, Doppelstaatsbürgern die österreichischen Staatsbürgerschaft zu entziehen, wenn sie nach dem Terrorparagrafen verurteilt wurden
  • die Möglichkeit, Personen, die nach dem Terrorparagrafen verurteilt wurden, den Führerschein zu entziehen

Im Straftatbestand für "religiös motivierte" Verbrechen sieht etwa FPÖ-Mandatar Harald Stefan eine "Show-Gesetzgebung, weil dieser Umstand bereits in einem anderen Paragrafen abgebildet sei. Seitens der Neos nannte ihr Vizeklubchef Nikolaus Scherak die entsprechende Bestimmung "völlig überflüssig".

Verschärfte bedingte Entlassung

Verschärft werden die Bestimmungen nach einer bedingten Entlassung. Täter können künftig mittels Weisungen u.a. zu einer Distanzierung von einem Umfeld angehalten werden, das zu deren Radikalisierung beigetragen hat - etwa radikal-salafistische Bewegungen und Bethäuser. Aber auch Tätigkeiten wie die Arbeit in Jugendvereinen können untersagt werden.

Zur Überwachung wird es möglich, bedingt Entlassene zum Tragen einer elektronische Fußfessel zu verpflichten. FP-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer warf dazu ein, dass man wohl auch mit einer Fußfessel einen Terrorakt setzen könnte.

"Muslime ein Teil Österreichs"

Fallkonferenzen sollen dazu dienen, das Verhalten des Rechtsbrechers während der gerichtlichen Aufsicht beurteilen zu können - jener Punkt war der Grünen Justizsprecherin Agnes Sirkka Prammer besonders wichtig. Ihr Fraktionskollege Georg Bürstmayr nannte die Vorlage eine "besonnene rechtsstaatliche gemeinsame Reaktion auf das Phänomen Terror". Gleichzeitig betonte er, dass die Muslime nicht nur Teil der Geschichte Österreichs sondern auch Teil des Landes seien: "Wir werden zusammenstehen gegen jene, die diese Gemeinschaft zerstören wollen."

"Übers Ziel hinausgeschossen"

Die muslimischen Vertretungen lehnen das Paket im Großen und Ganzen ab und sehen sich auch persönlich angegriffen. Denn es wird etwa vorgeschrieben, eine Art Imame-Verzeichnis zu führen. Zudem wird die Religionsgesellschaft ausdrücklich gesetzlich verpflichtet, eine Aufstellung aller ihr zugehörigen Einrichtungen zu führen. Weiters wird als Aufgabe der Gesellschaft die Vorlage der Aufzeichnungen über die Rechnungslegung zu Überprüfung des Verbots der Auslandsfinanzierung verankert.

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried hatte dann auch das Gefühl, dass etwas über Ziel hinausgeschossen werde insbesondere bei der Gleichbehandlung der Religionen. Er mahnte die Einhaltung des Datenschutzes ein und sah sich da ganz eins mit Kardinal Schönborn.

Leichtfried übte auch daran Kritik, dass es immer noch geschehen könne, dass Schulkinder und Lehrlinge abgeschoben werden, "aber die Verbrecher bleiben da".

FP verteidigt Identitäre

Verboten werden auch weitere Symbole, vor allem von islamistischen Bewegungen wie der Hisbollah, von "Hizb ut-Tahrir" und dem "Kaukasus-Emirat". Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) begründete das damit, dass der politische Islam eine Geißel für Republik und Zusammenleben im Land sei. Es gebe aber auch eine rechtsextreme Bedrohung, verwies der Ressortchef auf das Symbolverbot für die Identitären, das FP-Mandatarin Dagmar Belakowitsch dann "Gesinnungsterror" nannte. FP-Klubchef Herbert Kickl trat extra ans Rednerpult, um knapp eine Viertelstunde die Identitären als "NGO von rechts" zu verteidigen und von einem "Willkürakt" zu sprechen.

Pass- und Führerscheinentzug

An sich dafür sind auch die Freiheitlichen, dass Personen, die nach einem der Terrorparagrafen des Strafgesetzbuchs verurteilt werden, künftig der Entzug der Staatsbürgerschaft droht. Dass dies aber nur für Doppelstaatsbürger gilt, stört die FPÖ. Verlieren können entsprechende Täter auch die Lenkberechtigung, was der einzige Punkt des Gesetzespaketes war, dem auch die Freiheitlichen zustimmten.

Nehammers Bilanz: "Der Verfassungsschutz wird jede extremistische Entwicklung im Auge haben, wir werden die Gefahren benennen und die Institutionen entsprechend ausstatten, damit sie dagegen vorgehen können." Auch finanziell habe man bereits viel bewegt, allein in seinem Bereich, jenem des Innenministeriums, stünden durch das Terror-Paket schon 125 Millionen mehr für Technik und Ausrüstung zur Verfügung.