Im Großraum Paris sind seit einer Woche wieder Ausgangsbeschränkungen in Kraft. Diese sind zwar nicht so strikt wie vor einem Jahr. Damals durfte man höchstens eine Stunde am Tag sein Haus, seine Wohnung verlassen - und das in einem Umkreis von einem Kilometer. Nun darf man sich zumindest zehn Kilometer vom Wohnort wegbewegen, ab 19 Uhr bis sechs Uhr früh sind Spaziergänge und Joggingrunden untersagt.

Es sei denn, man ist im Besitz einer Ausnahmeregelung - wie Peter Handke. In der "Welt am Sonntag" schilderte Handke-Biograph Malte Herwig den Literaturnobelpreisträger aus Kärnten als unruhigen Geist, der gegen 21 Uhr oft sein Haus in der 20.000-Einwohner-Stadt Chaville verlässt, die zwölf Kilometer südwestlich des Pariser Stadtkerns liegt, durch die angrenzenden Wälder streift und auf seinen Touren bisweilen im Zentrum von Paris landet. Der 78-jährige Schriftsteller, der übrigens bereits beide Impfungen erhalten hat, führe immer ein Schreiben seines Verlags Gallimard mit sich, das ihm erlaube, sich "jederzeit und überall frei bewegen" zu dürfen, weil er „an einem großen Werk“ arbeite, so die "Welt." 

Diese Bewilligung kam erst vor ein paar Wochen zum Einsatz. "Da saß Handke um zehn Uhr nachts allein auf dem leer gefegten Platz vor der Kathedrale Notre Dame, einen Flachmann mit Rotwein in der Jackentasche und ein Notizbuch auf den Knien", berichtet die "Welt, als er von drei Polizisten zur Rede gestellt wurde. "Als Handke den Zettel von Gallimard vorzeigte, hellten sich die Gendarmengesichter auf: Künstler bei der Arbeit, das ist schon recht. Er wolle sich von der berühmten Kathedrale inspirieren lassen. Sie zogen ab." Handke blieb noch eine Stunde sitzen, zückte Zeichenblock und Bleistift und hielt die Rosette von Notre Dame fest, ehe er wieder mit dem Zug zurück in die Vorstadt fuhr.