Der Wunsch breiter Bevölkerungsschichten, rasch die Covid-19 Schutzimpfung zu erhalten, ist österreichweit deutlich spürbar. Die weitaus überwiegende Mehrheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Gesundheits- und Pflegesystems drängt nach dieser Möglichkeit, um endlich eine realistische Aussicht zu bekommen, nicht mehr kontinuierlich an/über deren Belastungsgrenze arbeiten zu müssen und sich auch selbst vor dieser potenziell lebensbedrohlichen Erkrankung ausreichend wirksam schützen zu können.

Insbesondere für all jene, die aus Altersgründen und/oder aufgrund bestehender Vorerkrankungen besonders bedroht sind, aber auch für alle anderen, deren Lebensunterhalt und/oder Lebensinhalt (sei es wirtschaftlich, sozial und/oder das psychische Gleichgewicht betreffend) durch die Auswirkungen dieser Pandemie gefährdet sind, ist ein möglichst rasches Abklingen beziehungsweise Ende dieser Seuche von ganz besonderer Bedeutung.

Es scheint sich zunehmend die Erkenntnis durchzusetzen, dass dieses Ziel schlussendlich nur durch die möglichst flächendeckende Impfung tunlichst aller Bevölkerungsschichten erreichbar ist und die Pandemie ausschließlich dadurch erfolgreich bekämpft und besiegt werden kann.
Je positiver sich die Impfbereitschaft über alle Bevölkerungsschichten hinweg entwickelt, umso größer wird das Unverständnis für die seit Anfang des Jahres bekannt gewordene und sich schrittweise ausweitende Impfstoffknappheit in Europa und hiermit auch in Österreich.

Maßgebliche Gründe hierfür liegen gegebenenfalls viele Monate zurück:
Die EU-Länder haben im Sommer 2020 die Grundsatzentscheidung getroffen, den Erwerb der Impfstoffe der EU-Kommission zu übertragen. Die in der Folge vorgenommene Auswahl verschiedener Impfstoffhersteller mit den abzuschließenden Verträgen über Abnahmevolumen und Lieferbedingungen der jeweiligen Impfstoffe erfolgte – zumindest anfangs –, ohne wissen zu können, welche Hersteller schlussendlich Erfolg haben würden. Die abschließenden, für eine allfällige behördliche Zulassung entscheidenden Prüfergebnisse hinsichtlich Wirksamkeit und Nebenwirkungen der jeweiligen Vakzine lagen nicht vor.

Letzteres war auch die zentrale Argumentation der EU-Kommission für die Bestellung bei mehreren Herstellern, um die Bevölkerung auch dann immunisieren zu können, wenn sich der eine oder andere in Testung
befindliche Impfstoff als nicht (genug) wirksam herausstellen sollte.

Nicht ganz unerwartet werden im Rückblick nunmehr Vorwürfe artikuliert, die für die Auswahl und Bestellung der Impfstoffe verantwortlichen Entscheidungsträger in der EU hätten hier insbesondere zeitlich (Zeitpunkte und Sequenz der unterschiedlichen Vertragsabschlüsse, Reaktionsgeschwindigkeit bei Auftreten neuer Erkenntnisse) sowie hinsichtlich des mit den einzelnen Firmen und in toto zu vereinbarenden Impfstoffvolumens nicht optimal agiert.

Dies wären maßgebliche Gründe für die Verzögerung der Belieferung der EU-Staaten mit dem mittlerweile zugelassenen Biontech-Pfizer-Impfstoff sowie dem der US-Firma Moderna. Naturgemäß werden zuerst jene Käufer beliefert, die zuerst bestellt haben, und um nunmehr die Länder der EU mit hinreichender Menge zu beliefern, müssen die Hersteller deren Produktionskapazitäten raschestmöglich ausbauen.

Nichtsdestoweniger wurde hinsichtlich der Auswahl der beiden mittlerweile europaweit zugelassenen Impfstoffe von Biontech-Pfizer sowie Moderna auf zwei hochwirksame Vakzine mit einem durchwegs geringen Nebenwirkungsprofil gesetzt. Die EMA hat den Biontech-Pfizer Impfstoff, der derzeit bereits in Österreich verabreicht wird, und in der Folge auch den Impfstoff von Moderna innerhalb weniger Wochen nach der offiziellen Einreichung nach eingehender Prüfung zugelassen. Dies war nicht zuletzt durch die bereits vor der Einreichung kontinuierlich erfolgte Datenübermittlung möglich.

Der dritte Impfstoff, auf den die EU und damit Österreich sehr stark setzt, ist jener von AstraZeneca. Bewiesenermaßen vorhandene Vorteile dieses Impfstoffes bestehen hinsichtlich deutlich niedrigerer Kosten sowie der Möglichkeit der Lagerung in Kühlschränken. Die Einreichung bei der Europäischen Zulassungsbehörde (EMA) erfolgte am 12. Jänner 2021. Die Entscheidung dieser Behörde wird Ende Jänner erwartet. Die sehr kurzfristig in den letzten Tagen mitgeteilte gravierende Reduktion/Verzögerung der Auslieferung des Impfstoffes durch die Firma AstraZeneca (nach erwarteter behördlicher Zulassung) stellt aktuell den bisher größten Rückschlag für die Impfstoffversorgung Österreichs dar.

Unbeschadet all dieser obig ins Treffen geführten Gründe für diese höchst missliche Versorgungslage mit Impfstoffen in Österreich erscheint es verlockend, den Schuldigen für diesen aktuellen Impfstoffmangel bei der EU-Zulassungsbehörde EMA (Europäische Arzneimittel Agentur) zu suchen. Vermutete „zähe“ Bürokratie würde aktuell die rasche Zulassung und Verfügbarkeit des Produktes von AstraZeneca behindern.

Führende Politikerinnen und Politiker mehrerer europäischer Länder argumentieren (grundsätzlich richtig) mit einem Wettlauf gegen die Zeit:
Je früher und umfassender geimpft werden kann, desto eher kann weiterer gesundheitlicher und wirtschaftlicher Schaden abgewendet werden. Sie fordern daher mit Nachdruck eine „effiziente und unbürokratische Zulassung“ des Vakzins, dies in der Annahme, dass es sich bei einem derartigen Zulassungsprozess um einen simplen bürokratischen Akt handeln würde. Dem ist definitiv nicht so!

Die politisch unabhängig agierende EMA trägt schlussendlich die alleinige Verantwortung für die Sicherheit, Qualität und Effizienz des (gegebenenfalls) zuzulassenden Impfstoffes und ist verpflichtet, ausschließlich nach klar definierten wissenschaftlichen Kriterien zu entscheiden. Die von der Pharmaindustrie vorgelegten Studiendaten müssen hierfür von unabhängigen Experten dieser Behörde minutiös geprüft und hinsichtlich Risiken und Nutzen äußerst kritisch bewertet werden.

Gerade in einer Phase, in welcher in der Bevölkerung Vermutungen über eine zu rasche Entwicklung der Impfstoffe zu Ängsten über die Sicherheit dieser Vakzine führen, ist der Versuch der politischen Einflussnahme, eine möglichst rasche Zulassung zu erwirken, geradezu kontraproduktiv.

Allfällige Fehlentscheidungen der Zulassungsbehörde aufgrund eines unangebrachten politischen (Zeit-)Drucks bergen die große Gefahr in sich, dass das (langsam) wachsende Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheit und Wirksamkeit von Covid-19-Schutzimpfungen schlagartig zunichtegemacht wird.