Ihr erster Auftritt als neuer Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse ÖGK wurde vom ÖVP-Wirtschaftsbund als One-Man-Show kritisiert und dass Sie die Arbeitgeberbeiträge erhöhen wollen. Gerade jetzt?
ANDREAS HUSS: Ich will keine Arbeitgeberbeiträge erhöhen, aber ich habe Vorschläge zur Finanzierung, weil wir die Leistungen verbessern wollen. Zuerst geht es um die Corona-Ausfälle, mit denen wir in der ÖGK zu kämpfen haben. Jeweils 400 Millionen Euro fehlen uns 2020 an Beiträgen durch die gestiegene Arbeitslosigkeit sowie an Beitragsstundungen.

Sie haben die Ausfälle vage mit 600 Millionen bis eine Milliarde beziffert, was noch ist unsicher?
Der große Unsicherheitsfaktor sind eben die Stundungen. Wir wissen nicht, wie viel davon später gezahlt werden, denn die Kreditschützer erwarten eine Insolvenzwelle im Herbst. Die gestundeten Beiträge sind ab 15. Jänner 2021 fällig, aber dann in elf Monaten. Ich wär dafür, in Einzelfällen noch großzügig zu erstrecken, um keine Insolvenzfälle heraufzubeschwören.

Für die Ausfälle wollen Sie ein Corona-Hilfspaket wie Betriebe.
Ich bin froh, dass Gesundheitsminister Rudolf Anschober ein solches Coronahilfspaket für die ÖGK angekündigt hat.

Warum greifen Sie nicht Ihre 1,2 Milliarden Euro Rücklagen an?
Die Rücklagen der ÖGK sind zur Hälfte Anlagen wie unsere Gebäude. Die andere Hälfte sind Veranlagungen, die könnte man auflösen. Die ÖGK muss aber per gesetzlichem Auftrag ein Zwölftel ihres Leistungsvolumens als Leistungssicherungsrücklage halten muss.

Aber ist nicht die Coronakrise gerade ein Fall für die Rücklage? Sie brachten sie selbst ins Spiel.
Ja. Aber entweder leistet der Gesetzgeber eine Coronahilfe oder er ändert das Gesetz, um die Rücklage aufzulösen. Weder wir noch die Dienstgeber wollen Leistungskürzungen. Der Bundesgesetzgeber hat die Corona-Maßnahmen ausgelöst, daher erwarten wir, dass er nicht nur für Wirtschaft, Bauern, Gastronomie und Künstler Hilfspakete schnürt, sondern auch für die Gesundheitskasse.

Können Sie nicht beschleunigt die angebliche Kassenmilliarde als Fusionseffekt anstreben?
Die Kassenmilliarde hat noch niemand gefunden, auch nicht die Rechnungshofpräsidentin. Die Verwaltungskosten der ÖGK betragen nur 330 Millionen Euro.

Ungefähr so viel wie jährlich die Altpensionen der Kassen kosten.
Ganz so hoch sind die nicht. Wenn man in der Verwaltung zehn Prozent einsparen kann, sind das 30 Millionen. Auch die Einsparung der Hälfte der Funktionäre hat nur eine Million Euro gebracht. Mit dem Sozialversicherungsorganisationsgesetz 2018 wurde uns von ÖVP und FPÖ ein finanzieller Rucksack mitgegeben. Die 14,7 Millionen, die wir mehr in den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfondszahlen, wollen wir zurückhaben. Dazu laufen Ermittlungen um die Aufnahme der Privatklinik Währung auf Drängen von Ex-FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und eine Spende an die ÖVP. Das ist intransparent und muss rückabgewickelt werden.

Wo noch wollen Sie Geld her?
Bei Steuern, die wir für Medikamente zahlen müssen, bekommen wir 30 Millionen Euro im Jahr weniger. Dieses Geld wurde zur Bauernversicherung transferiert, das ist unfair. Bei der pauschalierten Abgeltung der Arbeitsunfälle in Höhe von 200 Millionen durch die AUVA droht 2023/24 weiterer Abgang. Auf fünf Jahre fehlen uns aus diesen Maßnahmen 744 Millionen Euro. Das verlangen wir von der Regierung zurück.

Was steht außer Geldforderungen in Ihrem Programm?
Wir haben ein hochwertiges Gesundheitssystem, aber wir finden keine Hausärzte mehr. Der Allgemeinmediziner ist die Königsdisziplin als Familienarzt mit sozialer Kompetenz. Jetzt fallen bei den Aufnahmetests zum Medizinstudium Tausende durch. Die jungen Menschen, die schon wissen, dass sie Hausarzt werden wollen und sich verpflichten, zehn Jahre als Hausarzt zu arbeiten, sollen dafür einen leichteren Aufnahmetest bestehen dürfen.

Sie erwarten einen Ansturm?
Der sollte mir recht sein und es braucht vielleicht auch ein paar hundert Studienplätze mehr, das möchte ich mit dem Gesundheitsminister verhandeln.