Der Regenbogen hat in diesen Tagen wieder Saison. Das hat nichts mit dem wechselhaften Wetter zu tun, sondern mit dem Kampf für Rechte von LGBTIQ-Personen (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Intersexual & Queer), dem jeden Juni auf verschiedenen Veranstaltungen Ausdruck verliehen wird. Als gemeinsames Zeichen der Community steht die Regenbogenfahne. Heuer rückt sie noch stärker ins Zentrum als sonst. Denn Veranstaltungen – wie die ursprünglich für morgen geplante Regenbogenparade in Wien – mussten abgesagt bzw. umgestaltet werden. 

Wie bei vielen Gemeinschaften wurde auch der Zusammenhalt in der LGBTIQ-Community durch den Lockdown in der Coronakrise auf die Probe gestellt. Vereine mussten schließen, Beratungsstellen waren nur eingeschränkt verfügbar. “Sichtbarkeit ist jetzt besonders wichtig. Dadurch wird ein Gefühl der Zugehörigkeit erzeugt, außerdem schafft Sichtbarkeit Realität”, sagt Lisa Holzinger vom Wiener Verein SISTERS für queer feministische Kunst und Kultur. Damit jede und jeder zu dieser Sichtbarkeit beitragen kann, ruft sie gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Community in Wien zur Fensterl Parade auf, die morgen stattfindet.

Bei der Stadt Wien gratis bestellbare oder selbst ausdruckbare Regenbogenfahnen sollen zu diesem Anlass auf dem eigenen Fenster oder Balkon angebracht werden. Alle Teilnehmer*innen sind dazu aufgerufen, Bilder davon auf Instagram mit dem Hashtag #fensterlparade zu teilen. Für den akustischen Rahmen sorgt ab 14 Uhr FM4 als Partner des Projekts. 50.000 Fahnen sind laut Holzinger mittlerweile im Umlauf. “Auch die heterosexuelle Mehrheitsgesellschaft ist herzlich dazu eingeladen, ihre Fenster zu gestalten. Weil sie dadurch vielleicht auch Menschen in ihrer Umgebung schützt. Angst und Diskriminierung sind noch immer ein großes Thema.” 

Aktuelle Studien zum Thema untermauern diese Einschätzung. So gaben etwa 60 Prozent von über 1.200 befragten LGBTIQ-Personen in einer Studie im Auftrag der Arbeiterkammer an, sich an ihrem Arbeitsplatz ausgegrenzt zu fühlen. In einer weiteren AK-Erhebung gibt jeder dritte gleichgeschlechtlich liebende Mensch an, auch beim Wohnen diskriminiert worden zu sein. Eine Umfrage der EU-Agentur für Grundrechte mit insgesamt 140.000 Teilnehmer*innen sieht die Situation in Österreich zwar etwas positiver als im EU-Durchschnitt. Auch hierzulande fallen aber Problembereiche, wie etwa das schulische Umfeld, auf. 

Organisationen und politische Parteien würden zwar auf Probleme hinweisen, nachhaltige Veränderungen seien aber nicht erkennbar, findet Lisa Holzinger. “Es ist viel Blabla, auch wenn man sich ansieht, wie die letzten Gesetze in Österreich zustande gekommen sind. Die wurden erst vom obersten Gerichtshof erwirkt, nicht von einer Partei.” Konkrete Maßnahmen wurden auch diese Woche im Gleichbehandlungsausschuss im Parlament keine getroffen. Mehrere Anträge der Neos, unter anderem LGBTIQ-Themen im Schulunterricht zu verankern, wurden – mit Stimmen der ÖVP und Grünen – vertagt.

“Bei der ÖVP sind Leute am Werk, die weit reaktionärer und ideologisch verbohrter sind, als viele hier denken. Grüne konnten von Anfang an gegen diese Kreise nicht mal durchsetzen, dass LGBTIQ-Politik verhandelt wird – und nun haben sie aufgegeben”, resümiert Neos-Abgeordneter Yannick Shetty dazu auf Twitter. Katharina Kacerovsky, Organisatorin der Vienna Pride und grüne Bezirksrätin in der Leopoldstadt, muss zugeben, dass die grüne Regierungsbeteiligung im Bund im Hinblick auf die Rechte von LGBTIQ-Personen noch nicht viel bewirkt hat, hofft aber auf Besserung: “DieGrünen müssen als Partner in der Koalition einheitlich vorgehen. Das hat natürlich nichts mit der eigentlichen Meinung und Einstellung zu tun. Da muss man eben einen Konsens finden. Das nächste Jahr wird dann vieles offenlegen.” 

Ein offenes Zeichen gegen die Pride-Bewegung setzte indes diese Woche der Wiener FPÖ-Landtagsabgeordnete Leo Kohlbauer, der im Wiener Rathaus Regenbogenfahnen in einen Mistkübel warf und das Video davon mit den Worten “Erteil dem Müll eine Abfuhr, vielleicht fährt er ab” auf seinem Tiktok-Account geteilt hat (siehe Bild oben). “Die politische Vereinnahmung der Lesben- und Schwulenbewegung ist schlichtweg unerträglich”, ergänzt er dazu auf Facebook. Lisa Holzinger fühlt sich durch diese Aktion bestärkt. “Viele stellen die Wichtigkeit der Pride und ihrer Sichtbarkeit infrage. Wenn ich mir denke, dass die Hälfte der Community noch immer ungeoutet ist und damit auch in Angst lebt, sind wir einfach noch meilenweit davon entfernt, nichts mehr tun zu müssen.”