Nicht vieles ist bei Veranstaltungen der ÖVP dem Zufall geschuldet, doch manchmal hat auch sie einfach Glück. Wenn etwa das marktübliche Desinfektionsmittel, das in großen Flaschen beim Eingang bereit steht, genauso türkis ist, wie der Teppich, der Besucher in die Veranstaltungshalle führt. So fügt es sich ins Farbschema des Landesparteitages der Wiener ÖVP am Samstag ein, und weist nur dezent darauf hin, dass Großveranstaltungen wie diese in Zeiten des Coronavirus eine Gefahr darstellen könnten.

Während in anderen Ländern große Events wegen der Ansteckungsgefahr abgesagt werden, bleibt man in Wien gelassen. „Die derzeitige epidemiologische Situation rund um die Verbreitung des Corona-Virus in Wien und Umgebung begründet keine behördlichen Maßnahmen zur Einschränkung von Veranstaltungen jeder Art“, verkündete die Landessanitätsdirektion noch am Vorabend zum Parteitag. „Wir haben natürlich überlegt, wie wir mit der Situation umgehen und sind in engem Kontakt mit den Gesundheitsbehörden“, sagt ein Sprecher der ÖVP, „aber Fußballspiele finden auch noch statt.“

Gernot Blümel, der am Samstag mit 96,8 Prozent der Stimmen in seiner Funktion als Wiener ÖVP-Chef bestätigt wurde, lobte in seiner Rede die gute Zusammenarbeit zwischen Bund, Land und Behörden beim Krisenmanagement. Darüber hinaus bekamen die Delegierte und Gäste, die sich von der Coronagefahr nicht abschrecken ließen (800 waren angekündigt, mehr als 1.000 kamen), was sie erwartet hatten: Die Forderung Gebühren und Steuern zu senken, die "Zuwanderung ins Sozialsystem" zu stoppen und den Wiener Krankenanstaltenverbund auszugliedern - womit ein "professionelles Management" ermöglicht werden soll, wie Blümel sagte. Er selbst kam allen Hygieneempfehlungen zu Trotz nicht darum herum, geherzt und umarmt zu werden. „Da hilft nur ignorieren, das geht nicht anders“, sagt er, „und wenn’s vorbei ist, die Hände desinfizieren.“


Den Parteitag abzusagen wäre ein überzogenes und falsches Signal gewesen, ist man sich hier einig. „In einer solchen Situation darf man keinesfalls Panik verbreiten“, sagt Walter Ruck, Präsident der Wiener Wirtschaftskammer. Im Hintergrund bereite man in der Interessensvertretung allerdings Schritte vor, falls in Österreich das Epidemiengesetz vollzogen wird.  

Im Vordergrund richtet die ÖVP den Fokus aber auf die bevorstehende Wien-Wahl, bei der sie einen roten Bürgermeister verhindern will. „Ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Jahr eine historische Chance für Wien ist“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz. Auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, die türkisen Ministerinnen Susanne Raab, Karoline Edtstadler, Klaudia Tanner und Margarete Schramböck traten für einen Farbwechsel im Wiener Rathaus ein.

Als Überraschungsgast trat der Lifeballorganisator Gery Keszler auf, der wegen fehlender Finanzierung für die Benefizveranstaltung zur Zeit mit der Stadtregierung über Kreuz liegt. Er betonte zwar, dass sein Herz „regenbogenfarben“ sei - „ein bisschen pink, ein bisschen rot, ein bisschen grün, ein bisschen türkis“ - aber sprach seinem „Freund“ Gernot Blümel seine Unterstützung aus.

Aus Graz angereist war Bürgermeister Siegfried Nagl, der motivierte: „Uns ist der Sprung von Platz 3 auf Platz 1 gelungen“, motivierte er die Wiener Parteikollegen. Für den Wahlkampf gab er Blümel eine ganz und gar nicht Corona-tauglichen Tipp mit: „Jeden Tag 300 Hände schütteln. Und wenn es weniger waren, am Abend noch zum Würstelstand gehen.“ Für Blümel waren es an diesem Samstag mehr. Zum Glück steht beim Ausgang das türkise Desinfektionsmittel bereit.