Kennenlernspiele gab es keine zu Beginn der Verhandlungen, aber eine aufschlussreiche Vorstellungsrunde, erzählen August Wöginger (ÖVP) und Birgit Hebein (Grüne) am Tag vor der Angelobung der neuen Regierung. Da habe man manche Gemeinsamkeit gefunden. „Wir haben festgestellt, dass viele Grüne aus kleinen Ortschaften kommen“, erzählt Wöginger, der selbst aus einem Dorf stammt. „Frau Hebein kommt aus einer 600-Einwohner-Gemeinde“, sagt er. „640 Einwohner“ habe Feistritz an der Gail, korrigiert Hebein. „Ich habe auch den Traktorführerschein, das hat das Gegenüber überrascht.“ „Das eint uns, den hab ich auch“, erwidert Wöginger. Außerdem verstehen beide, Blutwürste herzustellen.

„Wir müssen uns nicht erzählen, was uns trennt, sondern, wo könnte das Gemeinsame sein“, sagt Hebein, die mit dem ÖVP-Klubobmann über Pensionen, Pflege, Arbeit, Armutsbekämpfung und Gesundheit verhandelte, zur Verhandlungsmethode. Bei der Pflege war man sich rasch einig, erzählt sie. Wöginger fällt auch die Gesundheit als verbindend ein. Das Arbeitskapitel hingegen wurde „etwas heftiger verhandelt“, sagt Hebein vorsichtig. Den 12-Stunden-Tag neu zur Diskussion zu stellen, erwies sich als unmöglich. Wenn es ruppig wurde, stießen die Parteichefs dazu.

Hebein: "Für mich war es ja ein Hobby"

Ob sie je daran dachte, alles hinzuwerfen? „Das liegt so gar nicht in meiner Natur“, sagt Hebein und Wöginger schließt sich dem an. Ihr sei es wichtig gewesen, immer wieder mit Leuten draußen zu sprechen, „damit man nicht eng wird“. Oder überlastet. „Für mich war es ja ein Hobby“, sagt Hebein, im Hauptberuf Wiens Vizebürgermeisterin. „A Gaude“ sei es gewesen, ihre beiden Terminkalender abzugleichen, erinnert sich Wöginger lachend. Da blieben nur Abende und Nächte. Sogar zu Weihnachten wurde telefoniert.

Für die Einordnung der Themen hatten die Teams ein Ampelsystem entwickelt: Grün für machbar, Orange für schwierig und Rot für unmöglich, berichtet Wöginger. Manche Punkte habe man dann einfach weggelassen. Dass sie doch zum Ziel gelangt sind, macht sie stolz. Beide haben ein Exemplar des Vertrags mitgebracht.

Und die Umsetzung? Krisenmanagement bleibt den Regierungskoordinatoren, den Parteichefs und den „Klubobmenschen“, wie Hebein sagt, überlassen. „Wir wissen gegenseitig, wo die Druckpunkte sind und wie man aufeinander zugeht“, sagt Wöginger zuversichtlich. Dass mehr „öffentlicher Diskurs“ stattfinden wird, lässt Hebein, die stets von Schwarz-Blau spricht, anklingen. Die letzte Regierung sei „sehr von Verachtung und Gesellschaftsspaltung getragen“ gewesen. Jetzt sehe sie die Chance, den Diskurs zum Positiven zu verändern. „Ich glaube, es ist die Diskussion mit jeder Partei wieder anders“, sagt Wöginger vorsichtig. Protestiert hat er nicht.

„Herr Wöginger, wann sehen wir uns wieder?“, fragt Hebein lachend am Ende des Gesprächs. „Ich besuch Sie einfach einmal im Rathaus, abgemacht?“