71 solcher „Einzefälle“ innerhalb der FPÖ habe es unter Obmann Heinz-Christian Strache während der Regierungsbeteiligung der FPÖ gegeben. Seit Norbert Hofer an der Spitze der FPÖ stehe, seien es bereits 20 gewesen, zählte Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) auf. Er sprach sich dafür aus, gar nicht mehr von „Einzelfällen“ zu sprechen. „Das ist System“, so der IKG-Präsident in der der ORF-Pressestunde.

Erneut wiederholte Deutsch seine Rücktrittsforderung an FPÖ-Obmann Hofer als Dritten Nationalratspräsidenten. Hofer habe in der jüngsten NS-Liederbuchaffäre rund um den steirischen FPÖ-Abgeordneten Wolfgang Zanger keine Konsequenzen gezogen. Vielmehr habe sich Hofer hinter Zanger gestellt.

Die Versuche der FPÖ, sich vom Antisemitismus zu distanzieren, reichen dem IKG-Präsidenten deshalb nicht. „Ich möchte Taten sehen. Wenn Herr Hofer dem Herrn Zanger das Weiserl gibt, ist das eine schöne Tat. Solange ein Herr Hofer den Zanger deckt, sehe ich nicht, dass man gegen Antisemitismus auftritt“, so Deutsch.

"Mit der Babynahrung eingetrichtert"

Ein verstärktes Auftreten gegen den Antisemitismus ist für den IKG-Präsidenten ein gesellschaftliches Gebot der Stunde. Der sei in den vergangenen Jahren merklich gestiegen. Neben rechten und linken Gruppen seien auch oft Flüchtlinge, „die bereits mit der Babynahrung in den arabischen Ländern Antisemitismus eingetrichtert bekommen haben“, beteiligt. Auch manche türkischstämmigen Personen, die stark vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan beeinflusst sind, zählt er zu den insgesamt vier Gruppen.

In den vergangenen Jahren ist der Antisemitismus laut Deutsch auch in Österreich gestiegen. Insgesamt habe es in Österreich im vergangenen Jahr 500 Vorfälle gegeben. Deutsch zählte Drohbriefe, Rufe bei Demonstrationen oder Anpöbelungen auf. Aber „so richtig verletzt wurde Gott sei Dank in Österreich noch niemand“. Anders als in anderen europäischen Ländern würden Jüdinnen und Juden wegen des Antisemitismus auch noch nicht das Land verlassen. Darüber diskutiert werde aber sehr wohl, so der IKG-Präsident.

"Antisemitismus ist ein No-Go"

Einen eigenen Antisemitismus-Beauftragten der Regierung, wie in Deutschland, hält Deutsch für nicht notwendig, aber: „Es muss irgendeine Aktion passieren, wo alle beteiligt sind.“ Von der Staats- und Regierungsspitze über Medien, Kulturschaffende und Kirchen bis zur Zivilbevölkerung müssten alle „dieses Krebsgeschwür bekämpfen“ und sagen, „Antisemitismus ist ein No-Go“. Möglich sei auch eine Antisemitismus-Beobachtungsstelle mit einem halbjährlichen Bericht.

Deutsch sprach sich überdies für härtere Strafen aus. Das derzeit eher geringe Strafmaß nach antisemitischen Vorfällen würde dazu führen, dass die Schwelle für Nachahmungstäter niedrig sei, argumentierte Deutsch seine Forderung nach Änderungen im Strafgesetz. „Mir sind Urteile, die abschreckend ist, nicht bekannt“, sagte der IKG-Präsident.

Zur Politik – abseits der FPÖ – stellte Deutsch ein gutes Verhältnis fest. Auch mit der anderen „Hälfte“ der ehemaligen ÖVP-FPÖ-Koalition, also der Volkspartei und ihrem Parteichef Sebastian Kurz, sei die Basis eine gute gewesen. Kurz sei in seinem Engagement für die Juden und Israel glaubwürdig. Auch zur Spitze der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) gebe es ein korrektes Verhältnis. Als besonders positives Beispiel innerhalb der IGGÖ nannte Deutsch die muslimische Jugend, die sich „voll gegen Antisemitismus“ stelle.

"Nahezu kindliche Gesprächsverweigerung"

Die Reaktion der FPÖ ließ am Sonntag nicht lange auf sich warten. In einer Aussendung warfen die Freiheitlichen Deutsch eine „nahezu kindische Gesprächsverweigerung“ vor. „Leider schlägt Herr Deutsch diesen Weg des freien und höflichen Diskurses mit uns nicht ein“, so Generalsekretär Christian Hafenecker.

„Nach dem ungeheuerlich schrecklichen Genozid gegen Juden in der Zeit des Nationalsozialismus verdient die jüdische Gemeinschaft unseren vermehrten und besonderen Schutz“, so Hafenecker. Das Gedenken an diese Epoche sei hier ebenso wichtig wie das offene Gespräch. Dass die FPÖ sowie deren Wähler antisemitisch gesinnt seien, wies der freiheitliche Generalsekretär „auf das Schärfste zurück“.