Heute findet die letzte Sondierungsrunde zwischen ÖVP und Grünen statt. Welchen Ausgang erwarten Sie?
WALTER RUCK: Ich rechne eher damit, dass man die Verhandlungen fortsetzt, mit dem Ziel, eine Regierung zu bilden.

Wäre eine türkis-grüne Regierung aus Sicht der Wirtschaft gut?
RUCK: Die Koalition, die jetzt sondiert wird, legt auf das Thema Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung mehr Augenmerk, als andere. Das kann man als Bedrohung sehen, oder als Chance.

Was überwiegt?
RUCK: Der Optimismus. Wir sind nicht nur Wirtschaftsleute, sondern haben unsere Kinder genauso gern wie alle anderen und wollen eine gute Zukunft für sie. Dazu gehören ein Standort und eine Umwelt, die in Ordnung sind. Natürlich muss Wohlstand auch erwirtschaftet werden. Das gilt es abzuwägen. Aber der Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit kann auch ein Geschäftsmodell sein. Man kann damit sehr gut Geld verdienen.

Besonders die emmissionsintensiven Branchen würden aber draufzahlen, wenn etwa eine CO2-Steuer oder -Bepreisung kommt. Könnten Sie sich damit anfreunden?
RUCK: Ich sehe das nicht schwarz-weiß. Die Frage ist nicht, ob eine CO2-Steuer gut oder böse ist, sondern wie viel Ressourcenbesteuerung notwendig ist, und wie viel möglich. Dazu gilt es, einen Ausgleich zu finden. Wenn Ressourcen anders bepreist werden, kann man vielleicht die Arbeitskosten senken. Das kann dann auch ein Standortvorteil sein.

Eine CO2-Steuer im Abtausch gegen gesenkte Lohnnebenkosten also?RUCK: Es ist zwingend, dass man eine Ressourcenbesteuerung - ich vermeide das Wort CO2-Steuer bewusst - im Sinne der Nachhaltigkeit auch aufkommensneutral entlastet.

Bei Streitfragen wie der Dritten Piste am Flughafen Schwechat kann es keinen Kompromiss geben. Wie sollen sich eine Wirtschaftspartei und eine Partei mit ökologischem Fokus da treffen?
RUCK: Wenn man versucht, ohne Dogma an die Dinge heranzugehen, sondern volkswirtschaftliche Effekte berechnet, kommt man zu klaren, evidenzbasierten Entscheidungen. Ich habe in dieser Hinsicht großes Vertrauen in Sebastian Kurz und Werner Kogler. Der eine ist von seinem Bekenntnis her wirtschaftsaffin, und der andere hat Wirtschaft studiert.

In Teilen der ÖVP fürchtet man aber speziell die Wiener Grünen als besonders links und dogmatisch. Ist das gerechtfertigt?
RUCK: Ich würde sagen: Nein. Die Wiener Grünen haben mittlerweile fast zehn Jahre Regierungserfahrung. Wenn man in der Verantwortung ist, lernt man, manchmal sein Dogma abzulegen und pragmatisch zu sein.

Wo äußert sich das?
RUCK: Wir haben in Wien zum Beispiel das Problem mit den Anrainerparkplätzen, ein enormes Thema, gemeinsam pragmatisch gelöst. Ich habe der Vizebürgermeisterin gesagt: „Ich verstehe deine Anrainerparkzonen, aber die sind untertags leer. Genau dann, wenn mein Wirtschaftsverkehr Abstellplätze braucht.“ Es ist uns gelungen zu überzeugen, mit dem Ergebnis, dass sie zeitlich geöffnet wurden.

Wann haben die Grünen für Sie den Schrecken verloren?
RUCK: Sich vor anderen zu schrecken ist nie gut, im politischen Geschäft und als Interessenvertreter schon gar nicht. Miteinander zu reden gehört zum Geschäft. Meine Lebenserfahrung ist: Wenn man mit Menschen spricht, von denen man meint, dass sie eine komplett konträre Position haben, ist man überrascht, wie schnell man zu einer Lösung kommt, wenn man die Themenlage versachlicht.

Wie würde Türkis-Grün das Land verändern?
RUCK: Im Ausland wird Österreich als sehr stabiles Land gesehen. Es ist wichtig, dass wir diese Stabilität, die wir im Export verkaufen, auch leben können. Eine Regierung zwischen zwei Partnern die geringe Überschneidungen haben, deckt die Gesellschaft sehr weitumfassend ab, und zwar qualitativ. Ich denke, das hilft der Stabilität.

Weil sie weniger polarisiert?
RUCK: Ja. Wenn sich zwei Partner weitgehend decken, ist ein Teil der Gesellschaft gar nicht mehr abgebildet.