Wer das Gold hat, macht die Regeln.“ Frank Stronach war ein Mann der klaren Worte. Er liebte es, wenn alle nach seiner Pfeife tanzten, egal ob in seinem Firmenimperium, im Fußball oder in seiner Partei. Demokratische Prozesse mochte er nie, das Scheitern in der Politik war die logische Konsequenz.

Genau hingehört bei Frank Stronach hat Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner. Er, der großen Wert darauf legt, im Ländle noch immer ein Schwarzer und kein Türkiser zu sein, besitzt zwar kein Gold, aber etwas, das für einen Politiker ähnlich viel wert ist. Wallner hat – sollte es bei der Landtagswahl am kommenden Sonntag keine faustdicke Überraschung geben – rein rechnerisch vier Koalitionsoptionen. Oder anders ausgedrückt: Für jeden, der mit der ÖVP in Vorarlberg regieren will, stellt Wallner die Regeln auf und sonst niemand.

Der Landeshauptmann konnte sich daher bereits im Mai den Luxus leisten, auf eine der vier Optionen freiwillig zu verzichten. Vom Liebesentzug betroffen war Christof Bitschi, der 28-jährige Spitzenkandidat der Blauen. Dieser hatte vor gut einem Jahr gleich in seiner ersten Rede als neuer Parteiobmann einen Frontalangriff auf Wallner gestartet. Etwas, das ihm Wallner bis heute nicht verzeiht. Sofort nach Erscheinen des Ibiza-Videos nützte der Landeshauptmann die Stimmung im Lande, um Strache-Intimus Bitschi unmissverständlich die Rote Karte zu zeigen.

Wieder Schwarz-Grün?

Wallner nützt seinen großen Handlungsspielraum auch in Richtung der anderen Parteien. So lässt er die Fortsetzung der Koalition mit den Grünen aus taktischen Gründen noch offen. Zwar spricht vieles für eine Weiterführung der meist friktionsfreien und konstruktiven Zusammenarbeit, aber auch die Grünen müssen in den Koalitionsverhandlungen wohl wieder nach Wallners Pfeife tanzen. Wie bereits vor fünf Jahren, als der Sausgruber-Nachfolger klarmachte, dass es nur dann eine Regierungsbeteiligung gebe, wenn an allen umstrittenen, aber schon in Planung oder Umsetzung befindlichen Verkehrsprojekten nicht im Geringsten gerüttelt werde.
Wallner wusste um den Pragmatismus von Johannes Rauch und dessen Lust aufs Regieren, war die grüne Galionsfigur mit einem Wahlergebnis von über 17 Prozent doch am Zenit seiner erfolgreichen Karriere angelangt. Rauch konnte die Unzufriedenen in seiner Partei rasch besänftigen, weil es ihm und seiner grünen Regierungskollegin Katharina Wiesflecker schnell gelang, eine selbstbewusste und eigenständige Politik zu machen und grüne Anliegen umzusetzen.

So können Vorarlberger mit einer Jahreskarte um umgerechnet einen Euro pro Tag im ganzen Land mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, sich über immer bessere Bus- und Zugverbindungen oder ein ständig wachsendes Fahrradwegenetz freuen. Aber auch in der Pflege, davor ein Problemfeld der Schwarzen, konnte die grüne Landesrätin für Ruhe sorgen und mit vielen Verbesserungen punkten.

Weltmarktführer

Der größte Zankapfel in der schwarz-grünen Koalition bleibt der massiv steigende Bodenverbrauch, oft verbunden mit einem „Anfassen“ der Grünzone. Vor allem stark wachsende Vorzeigeunternehmen und Weltmarktführer wie der Beschlägehersteller Blum, PET-Flaschen-Produzent Alpla, Seilbahner Doppelmayr oder Red-Bull-Abfüller Rauch Fruchtsäfte brauchen Platz. Und den will ihnen die schwarze Hälfte der Regierung auch zur Verfügung stellen, um ein Abwandern der bisher standorttreuen Top-Arbeitgeber zu verhindern. Die Grünen wollen das nicht um jeden Preis und fordern auch beim Bodenverbrauch durch Unternehmen einen höheren Verdichtungsgrad, sprich mehrgeschoßige Industriebauten. Vor allem aber soll eine Umwidmung nur möglich sein, wenn es für das verbaute Grünland eine Kompensation gibt nach dem Vorbild des europäischen Emissionshandels. Aber nicht nur für die Industrie, sondern auch für den Massentourismus gehen den Grünen die Zugeständnisse der ÖVP zu weit. Sie wollen dem ungebremsten Wachstum im Wintertourismus nicht weiter tatenlos zusehen und vor allem der Ausdehnung der Skigebiete einen Riegel vorschieben.

Greta-Zeitalter

So gut im „Greta-Zeitalter“ die Stimmung für die Grünen auch ist, der selbstbewusste Politfuchs Johannes Rauch muss trotz konstruktiver Koalitionsarbeit mit zwei weiteren Bräuten um die Zuneigung der Schwarzen buhlen, will er weiter im Bregenzer Landhaus regieren. Und die beiden – SPÖ und Neos – würden es wohl auch deutlich „billiger“ geben.

Vor allem die Ländle-SPÖ, bei der letzten Wahl mit desaströsen 8,8 Prozent endgültig zur Kleinpartei mutiert, kann wohl nur noch eine Regierungsbeteiligung vor der völligen Bedeutungslosigkeit im Westen der Republik retten. Bei der Wahl am kommenden Sonntag ist wegen des schlechten Bundestrends und des zwar sympathischen, aber farblosen Spitzenkandidaten Martin Staudinger ein weiteres Minus nicht ausgeschlossen. Dennoch würde es gemeinsam mit den Schwarzen für eine Mandatsmehrheit reichen.

Die Pinken um Spitzenkandidatin Sabine Scheffknecht agieren auch in Vorarlberg sehr selbstbewusst. Kein Wunder, schon bei der letzten Landtagswahl konnten sie mit knapp sieben Prozent mehr als einen Achtungserfolg erreichen, ein Ergebnis, das sie nach dem ausgezeichneten Abschneiden bei der Nationalratswahl vor zehn Tagen (13,6 Prozent in Vorarlberg) wohl noch toppen werden. Sind die Neos trotz des guten Ergebnisses im Bund kein Faktor bei der Regierungsbildung, könnten sie in Vorarlberg das berühmte Zünglein an der Waage sein.

Farbtupfer

Ein Novum für die Vorarlberger Wähler ist das große Spektrum an wahlwerbenden Gruppen. Neben den fünf arrivierten Parteien treten noch weitere sieben Gruppierungen an. Sie alle waren kleine Farbtupfer in einem alles in allem sehr ereignislosen, aber auch fairen Wahlkampf im Schatten der Wahlschlacht vor der Nationalratswahl. Die Meinungsforscher prognostizieren allen von ihnen die völlige politische Bedeutungslosigkeit. Bei allem Enthusiasmus für ihre so verschiedenen Anliegen werden nur zwei bis drei Prozent der Vorarlberger bei einer von ihnen das Kreuz machen.

Wallner kann Koalitionsgesprächen entspannt entgegenblicken, eine persönliche Scharte will er auswetzen. Beim letzten Urnengang, seinem ersten als Spitzenkandidat, erzielte er mit 41,8 Prozent – einem Minus von neun Prozentpunkten – das mit Abstand schwächste ÖVP-Ergebnis der Landesgeschichte. Will der schwarze Markus Wallner, was für Vorarlberger Landeshauptleute guter Brauch ist, der Wiener Zentrale unter einem türkisen Bundeskanzler klare föderale Botschaften ausrichten, braucht er mehr Gewicht und damit ein deutliches Plus vor seinem Wahlergebnis.