Herr Landeshauptmann, das Ergebnis der Nationalratswahl dürfte bei Ihnen gemischte Gefühle ausgelöst haben. Zum einen Freude über den Triumph von Sebastian Kurz, zum anderen Enttäuschung über das Ergebnis der Landes-VP (36,7 %), das erstmals in der Geschichte schlechter ausfiel als das Bundesergebnis der ÖVP. Das ist doch ein ordentliches Haar in der Suppe.

Markus Wallner: Wir freuen uns über ein super Ergebnis im Bund, ich freue mich auch über jeden Zuwachs im Land, der lag bei zwei Prozent. Aber es stimmt, dass wir durchaus erwartet haben, dass das Vorarlberger Ergebnis besser sein könnte. Es ist in Vorarlberg nicht neu, dass die Wähler schon noch zwischen Bundes- und Landeswahlen unterscheiden. Für den kommenden Sonntag ist auf alle Fälle Luft nach oben.

Ist es nicht auch ein Ergebnis dessen, dass sie immer auf eine sichtbare Distanz zu Sebastian Kurz Wert gelegt haben? Ihre Botschaft: Schwarz in Vorarlberg ist nicht gleich Türkis im Bund.

Ich weiß jetzt nicht, wo diese große Distanz sein soll. Wir pflegen eine sehr gute Zusammenarbeit, daneben habe ich immer auf die eigene DNA der Vorarlberger Volkspartei hingewiesen. Es wird immer eine Mischung aus beidem bleiben.

Sie haben sehr früh klargemacht, dass sie in Vorarlberg eine Koalition mit der FPÖ kategorisch ausschließen, auf Bundesebene fordern sie das nicht in derselben Klarheit. Das ist doch reines taktisches Kalkül, weil sie die FPÖ in Vorarlberg sowieso nicht als Mehrheitsbeschaffer brauchen, Sebastian Kurz im Bund vielleicht doch.

In Vorarlberg war es so, dass drei Parteien im Land Interesse an einer Zusammenarbeit signalisiert haben. Und ich erinnere daran, dass der freiheitliche Spitzenkandidat in seiner allerersten Rede am Parteitag eine Zusammenarbeit mit uns ausgeschlossen hat. Dann soll man sich auch nicht wundern, wenn das jetzt Realität ist. Auf Bundesebene ist es mein Eindruck, dass sich die ganze Frage nach Ibiza- und Spesenskandal sowieso nicht stellt. Auf freiheitlicher Seite ist gerade eine Implosion im Gange und wir wissen ja nicht einmal, was da im Ende sein wird. Gibt es da überhaupt seriöse Strukturen und Ansprechpartner? Im Land wollte ich eine klare Trennlinie zu dieser unmöglichen Politik der FPÖ ziehen. Damit will ich nichts zu tun haben.

Vorarlberg wird seit fünf Jahren Schwarz-Grün regiert. Auf Bundesebene sind sie dennoch vorsichtig, weil sie zu viel Einfluss der Wiener Grünen befürchten. Aber ist diese Koalitionsvariante in Wahrheit nicht alternativlos?

Sie ist auf jeden Fall zu prüfen. Ich teile aber die Meinung von Sebastian Kurz, dass man mit allen Parteien das Gespräch suchen soll. Ich verstehe auch nicht, warum sich die SPÖ jetzt so zurückzieht, denn jetzt ist staatspolitische Verantwortung von allen gefragt. Mit den Grünen haben wir in Vorarlberg einen pragmatischen Weg gefunden. Das sehe ich auch so in Tirol und ein Stück weit in Salzburg. Im Westen ist es uns gelungen, mit vernünftigen Grünen einen Weg der bürgerlichen Mitte zu halten. Ob das 1:1 auf den Wiener Boden zu übertragen ist, möchte ich bezweifeln. Man soll die Verhandlungen führen, bei denen es nicht darum geht, was man sich wünscht, sondern ob ein brauchbares Programm rauskommt. Wir beobachten kritisch, dass gerade die Wiener Grünen nach links abdriften und da bin ich mir nicht sicher, ob eine bürgerliche Politik der Mitte gehalten werden kann. Das heisst, es braucht Bewegung.

Ich höre aber auch heraus, dass Türkis-Rot für Sie auch eine Variante wäre.

Für solche Empfehlung ist es zu früh, weil erst die Gespräche stattfinden müssen. Ich appelliere einfach an alle, offen in die Gespräche zu gehen und ein Mindestmaß an staatspolitischer Verantwortung walten zu lassen.

Bei welchen Inhalten sehen Sie Türkis-Grün am weitesten auseinander?

Das hängt davon ab, welchen Einfluss die «Links-Grünen» nehmen. Es muss eindeutig in Richtung einer Steuerentlastung gehen und man muss bei der Frage einer CO2-Steuer vernünftig bleiben, nicht eine Strafsteuer für sozial Schwache erfinden. Für mich ist erstaunlich, wie hier manche Grünen jedes soziale Gefühl vermissen lassen, soweit die Leute auf’s Pendeln angewiesen sind. Österreich muss insgesamt einen Kurs der Investitionen und Standortfreundlichkeit beibehalten.

Gibt es Punkte aus dem Wahlprogramm der ÖVP, die gar nicht verhandelbar sind?

Es muss klar Richtung Entlastung und nicht Belastung gehen. Das gilt auch, wenn man mit der SPÖ verhandelt. Auch die sind im Erfinden neuer Steuern immer sehr fantasievoll. Wir sind ein Hochsteuerland und deshalb muss es in die andere Richtung gehen. Es geht um ein leistbares Leben für die Menschen. Die Leute brauchen mehr in der Geldtasche.

Sebastian Kurz ist bei der Abschaffung der kalten Progression aber auch säumig.

Ja, auch da gilt es weitere Schritte einzuleiten und ich denke, dass wir das Tempo erhöhen sollten.

Warum war das Zusammengehen mit den Grünen in Vorarlberg ebenso friktionsfrei wie die fünfjährige Zusammenarbeit? Sie haben sicher Tipps für Sebastian Kurz.

Auf Bundesebene ist so ein Zusammenkommen deutlich schwieriger. Große staatspolitische Entscheidungen wie etwa eine Steuerreform werden dort in nicht in den Ländern getroffen. Da haben wir es in den Ländern einfacher.

Sie haben aber auch rote Linien gezogen und den Abschluss der sehr umstrittenen Verkehrsprojekte zur Koalitionsbedingung gemacht.

Ja und das hat bei den Grünen auch für interne «Belastungen» gesorgt, aber die mussten sie aushalten. Und das wird auch für die Zukunft gelten.

Vorarlberg war außer mit dem «3-Tage-Innenminister» Eckart Ratz in keiner der letzten Bundesregierungen personell vertreten. Soll sich das ändern?

Ratz hat in den drei Tagen viele Dinge korrigiert, die uns wichtig waren. Wenn’s nach mir geht, kann ich ihn mir gut vorstellen. Aber die personellen Entscheidungen stehen ganz am Ende an, daher möchte ich jetzt keine Spekulationen befeuern.

Im Juni wurden von den Vorarlberger Nachrichten eine Umfrage veröffentlich, die die ÖVP in Vorarlberg bei 47 Prozent sah (Anm.: Landtagswahl 2014 41,8 %). Eine ganz aktuelle Umfrage sieht die ÖVP bei 44 %. Warum soll’ die ÖVP bei der Landtagswahl so viel besser abschneiden als bei der Nationalratswahl?

Bei Umfragen ist es wie mit Parfum: Man soll daran riechen, aber nicht davon trinken. Wir müssen noch stark mobilisieren, allerdings bin ich mir sicher, dass die Leute schon Unterschiede zwischen der Politik im Bund und jener im Land sehen. Die Umfrage vom Juni zeigte Neos und Grüne weit unter den Werten bei der Nationalratswahl.

Die aktuelle Umfrage sieht die beiden anderen Wahlgewinner auch in Vorarlberg deutlich besser. Nicht nur die ÖVP scheint Rückenwind für die Landtagswahl zu haben.

Es werden letztlich jene erfolgreich über die Ziellinie laufen, die am meisten mobilisieren. Die Wahlbeteiligung ist eine sehr entscheidende Komponente. Daher sage ich meinen Leuten «aufstehen und laufen».

Mit welchem Ergebnis ist Markus Wallner am Wahltag zufrieden?

Wenn zwölf Parteien antreten, ist das keine einfache Ausgangslage, daher bin ich bei 40+ zufrieden.