Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda ist zurückgetreten. Wer soll in der SPÖ die Geschäfte übernehmen?

PETER KAISER: Wir haben keine Eile, das muss gut überlegt werden. Der Neue sollte in das Profil passen, das wir brauchen.

Wie würden Sie dieses Profil beschreiben?

Natürlich geht es in erster Line darum, unsere Inhalte besser zu übersetzen. Wir hatten sicher das ausgefeilteste Wahlprogramm, normalerweise sollten Programme eine gewisse Rolle spielen. Thema waren aber nur die Großmannssucht mancher Politiker, die Gucci-Taschen ihrer Frauen, das Schreddern,etc. Das, was unsere Stärke war, ist nicht eingebettet gewesen in eine Geschichte. Was will die Sozialdemokratie? Wie kommen wir da hin, dass es möglichst vielen besser geht, dass niemand herausfällt  aus den sozialen Netzen, dass die geschätzt werden, die etwas geleistet haben, dass wir in Zusammenhang mit dem Zusammenhalt in der Gesellschaft aber auch mit dem Klimaschutz auf Dinge verzichten, im Sinne einer gestaltbaren Zukunft für unsere Kinder und Enkelkinder? Hätte es diese Erzählung gegeben, hätten Dinge wie unser Ökoticket hineingepasst. Unsere Gedanken vertiefen, in eine bildhafte Sprache übersetzen - das wird eine der Hauptaufgaben des Geschäftsführers sein.

Also das, was unter Ex-Parteichef Christian Kern begonnen wurde?

Sie sprechen mir aus der Seele. Der Plan A und unser Wahlprogramm, das sind zwei tolle Elaborate, die in Wahrheit nichts bewirkt haben. Die Leute haben sich nur die Titel gemerkt.

Die ersten Reaktionen am Wahlabend haben gezeigt, dass die Botschaft der Wähler offenbar noch nicht angekommen war bei der Parteispitze. Ist sie bei Ihnen angekommen?  Welche Botschaft haben Sie empfangen?

Mehrere. Es muss nachvollziehbar werden, wofür die SPÖ inhaltlich steht. Die Nachwahlanalysen zeigen gleichzeitig, dass wir von den Wählern am ehesten in Zusammenhang mit unseren Inhalten wahrgenommen wurden, nicht in Verbindung mit den Personen. Und: es hat in unserem Bereich zu wenig politische Emotion gegeben. Dritte Botschaft: Es ist uns nicht gelungen, genug und nachvollziehbar zu vermitteln, warum es nötig war, der gesamten Regierung ein Misstrauen auszusprechen. Jetzt kann man sagen, das Ziel ist aufgegangen, die Wahrscheinlichkeit einer Neuauflage von Blau-Schwarz zu senken, aber der Preis dafür ist verdammt hoch.

Viele Ihrer Parteifreunde sagen mir, es braucht ein Zugpferd an der Spitze, und Rendi-Wagner ist es nicht. Kann sie es nach einer so desaströsen Wahl noch werden?

Sie war eine der wenigen, die vom Ausgangspunkt der Wahlbewegung, das waren Umfragewerte von 20% und der 3. Platz , Kontur gewonnen hat, obwohl sie als Spitzenkandidatin die mit Abstand jüngste im politischen Geschäft war. Sie hat gewonnen, substanziell, als Person. Ich glaube, mit kongenialer Ergänzung, wenn wir breiter aufgestellt sind, wäre sie als SPÖ-Chefin ideal. Wir sind die strukturkonservativste Partei,  wir haben alte Strukturen, die man hinterfragen muss, auch in Bezug auf die Vermittlung unserer Inhalte, darauf wie man Listen erstellt, etc. Da ist sie eigentlich der moderne Typ der unbelastet hineingeht, im Unterschied zum Beispiel zu mir, ich bin da halt auch geprägt. Mit einer Frau als Parteichefin sind wir unserer Zeit vielleicht voraus, aber das kann an auch zu einem Vorteil machen, wenn wir die Akzeptanz schaffen.

Hat das einen Sinn, wenn in der eigenen Partei keiner so recht an sie glaubt?

Das hängt damit zusammen, dass die Zeit zu kurz war für sie. Wie immer die Regierung ausschaut: Wir werden ihr wahrscheinlich nicht angehören. Dann haben wir eine klare Ausgangsposition mit eindeutigem Rollenbild, wir sind dann die stärkste Oppositionspartei. Wenn sich Grün und Schwarz finden, wird das dazu noch eine stark radikalisierende Oppositionspartei, die FPÖ, geben.

Ist das dann nicht eine neue Gefahr für die SPÖ? Dass den Protest die FPÖ abfängt und die Linken zu den Grünen wandern?

Nein. Dann können wir mit einer starken SPÖ-Erzählung die Bereiche besetzen, die wir noch nicht besetzen konnten, und die Grüne können dann ihre grundsatzgeleiteten Positionen nicht mehr so einnehmen wie bis jetzt. Zur neuen Konkurrenz: Hand aufs Herz - die grüne Spitzenkandidatin in Kärnten hat keiner gekannt und auch kaum jemand getroffen und trotzdem wurde sie gewählt. Weil da halt eine Geschichte ist, mit Greta & Co., die gezogen hat, so wie unsere Geschichte gezogen hat in den 70er Jahren. Der Wind wird sich drehen, erste Anzeichen sind schon da, das haben die EU-Wahlen gezeigt. Aber man muss vorbereitet sein: Das beste Segelboot kann den Wind nicht nützen, wenn die Segel nicht gehisst sind.

Kritische Geister in der SPÖ sagen mir, auch in der zweiten Reihe bedürfe es eine Runderneuerung. Regionale Kapazunder, die Wahlen verlieren und sich dennoch an Landes und Bundesmandate klammern, ehemalige Minister, verstellen den Jungen den Weg. Sehen Sie das auch so?

Teils, teils, das ist zu einem gewissen Teil richtig. Wir müssen auch in der Kandidatenfindung neue Wege gehen. In der Steiermark gab es da schon gute Ideen, freie Mandate, für die man sich bewerben kann, etc. Ganz offen: Gerade bei dieser Wahl hat man gesehen: es geht auch um die Popularität von Personen, das konterkariert die bestgestylte Spitzenkandidatin. Ohne Authentizität wird es nie gehen.

In Wien haben nur noch 150.000 Menschen SPÖ gewählt, früher waren es dreimal so viel. Was muss hier geschehen, um bei den Landtagswahlen eine neue Chance aufzumachen?

Ich habe immer schon gesagt: Landtagswahlen sind mit Bundeswahlen nicht vergleichbar. Dort wird von ganz andere Voraussetzungen ausgegangen, es werden andere Bezüge hergestellt. Auch die zeitliche Distanz zu den Nationalratswahlen wird etwas ausmachen. Die Karten werden in Wien völlig neu gemischt, die Sitzplätze neu vergeben.