Der frühere BVT-Vizechef Wolfgang Zöhrer hat bei seiner Befragung im BVT-Untersuchungsausschuss deutliche Kritik an der Hausdurchsuchung im Verfassungsschutz geübt. Inhaltlich brachte die Befragung wenig neues. Einen Konflikt gab es aber um die Verwendung von Unterlagen der Kanzlei des SP-nahen Rechtsanwalts Gabriel Lansky, aus denen die ÖVP zitierte.

Zöhrer war Vizedirektor im BVT, bevor er im Dezember 2017 zur Sicherheitsakademie des Innenministeriums wechselte - und zwar freiwillig, wie er betonte. Zum aktuellen Untersuchungsthema der angeblichen "schwarzen Netzwerke" im Verfassungsschutz hatte der Zeuge wenig beizutragen. Wiewohl mit dem ÖVP-nahen Ex-Kabinettchef Michael Kloibmüller befreundet, sei er kein "Bindeglied" ins Ministerbüro gewesen: "Wir kennen uns seit mehr als 25 Jahren und haben sehr gut unterschieden zwischen privaten und dienstlichen Geschichten."

Bei der Hausdurchsuchung am 28. Februar 2018 hatte Zöhrer das BVT bereits verlassen. An der mittlerweile weitgehend für rechtswidrig erklärten Razzia übte er dennoch Kritik. Viel Schlimmeres als die Beschlagnahme der damals mitgenommenen Datenbanken könne dem Verfassungsschutz nicht passieren, befand Zöhrer. Auch die Vermittlung von Belastungszeugen durch das Ministerbüro an die Staatsanwaltschaft war aus seiner Sicht ungewöhnlich.

Das anonyme Konvolut mit Vorwürfen, das einer der Auslöser für die Ermittlungen war, beschreibt Zöhrer als "gespickt von Hass", die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als "Schwachsinn". Juristisch ist die Causa für ihn aber ohnehin ausgestanden, denn die Korruptionsstaatsanwaltschaft hat das Verfahren eingestellt. Zurückgewiesen hat Zöhrer auch den Verdacht, der Verfassungsschutz hätte die "Liederbuch-Affäre" im Niederösterreich-Wahlkampf 2018 losgetreten.

Die ÖVP, um deren angebliches Netzwerk im Verfassungsschutz es im Ausschuss aktuell geht, startete indessen einen Entlastungsangriff auf die SPÖ: 2012 soll Franz Schnabl - damals bei Magna, heute niederösterreichsicher SP-Chef - nämlich einen dubiosen deutschen Privatermittler an Lansky vermittelt haben, um in einem Ermittlungsverfahren zu intervenieren. Bisher war der Deutsche im Zusammenhang mit dem ÖVP-nahen Kloibmüller genannt worden, der sich angeblich für ihn stark gemacht haben soll.

Weil der ÖVP-Abgeordnete Werner Amon dabei aus einem Aktenvermerk der Anwaltskanzlei Lanskys zitierte, forderte SPÖ-Fraktionschef Jan Krainer die Streichung der Passagen aus dem Protokoll. Nach einer Unterbrechung pochte Vorsitzende Doris Bures (SPÖ) schließlich auf die Vereinbarung, Dokumente, die dem Anwaltsgeheimnis unterliegen, nicht öffentlich zu zitieren. "Hier müssen wir aufpassen, dass wir die anwaltliche Verschwiegenheit nicht umgehen", assistierte Verfahrensrichter Eduard Strauss.

Lansky hatte im Vorjahr scharf gegen die Übermittlung seiner Dokumente an den Ausschuss protestiert. Eine Beschwerde beim Verfassungsgericht blieb aber erfolglos. Laut Bures hat Justizminister Josef Moser (ÖVP) das Parlament darum gebeten, die Unterlagen des Anwalts als "vertraulich" einzustufen und damit den öffentlichen Sitzungen zu entziehen. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) habe das jedoch abgelehnt, berichtete Bures.

Sobotka geizte bei seiner Befragung mit Informationen

Die gestrige Rückkehr des Untersuchungsausschusses zur BVT-Affäre aus einer rund vierwöchigen Pause ist weniger spektakulär als vielleicht erwartet ausgefallen. Denn der ehemalige Innenminister und heutige Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) geizte bei seiner Befragung mit relevanten Informationen, war ihm doch vieles "nicht erinnerlich".

Die Opposition verbiss sich in E-Mails aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), die nahe legen, dass das Kabinett Sobotkas aus dem BVT Informationen für den ÖVP-Wahlkampf geordert hatte. Der JETZT-Abgeordnete Peter Pilz stellte hier den Verdacht von Amtsmissbrauch in den Raum.

Sobotka schloss hingegen aus, eine Bestellung für die Wahlkampagne in Auftrag gegeben zu haben. Wenn sein Kabinett Informationen geordert haben sollte, dann sei es darum gegangen, als Innenminister über aktuelle Themen informiert zu sein, die an ihn herangetragen werden könnten. So finde sich im Wahlprogramm ja auch nichts von dem Erfragten: "Es ging um die Sicherheit Österreichs."

"Keine James Bond"

Überhaupt wollte Sobotka mit dem Verfassungsschutz nicht viel zu tun gehabt zu haben: "Ich bin kein James Bond, da kann ich Sie beruhigen." Der Name der langjährigen Leiterin des Extremismus-Referats im Bundesamt sagte ihm bei der Befragung nichts.

Auch vom Belastungskonvolut, das die BVT-Affäre ausgelöst hatte, wusste der Parlamentschef "bis zum heutigen Tag" nichts. Seine Mitarbeiter hätten gewusst, wie man mit so anonymen Vorwürfen umgehe. Informationen seien an die zuständigen Stellen weitergeleitet, der Minister aber nicht persönlich informiert worden, da sich dieser sonst dazu äußern müsste.

Daran, dass Anwalt Gabriel Lansky ihn persönlich per Brief über die Vorwürfe informiert habe, erinnerte er sich nicht. Allerdings konnte es sich Sobotka auch kaum vorstellen, dass seine Mitarbeiter das Schreiben abgefangen hätten.

Persönlich will sich Sobotka auch in der koreanischen Pass-Causa nicht involviert haben. Er habe nach entsprechenden Medienanfragen seinen Kabinettschef gebeten, zu klären, ob hier alles korrekt abgelaufen sei.

Auch als Nationalratspräsident stand Sobotka im Visier der Opposition. Doch der Parlamentschef bestritt, dafür gesorgt zu haben, dass seine Amtszeit als Innenminister betreffende Akten einer höheren Geheimhaltungsstufe unterliegen. Er habe auch nicht mit Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) darüber gesprochen.

Zum Thema in der zu Mittag zu Ende gegangenen Befragung wurde auch die Aushebung eines Akts aus dem Staatsarchiv. Dass er diesen zunächst dem U-Ausschuss nicht zur Verfügung gestellt hat, begründete Sobotka damit, dass man nichts über einen Zusammenhang mit dem BVT gewusst habe und erst durch eine Anfrage von Pilz draufgekommen sei. Alle Akten, die zu liefern gewesen seien, seien auch geliefert worden.

Parteipolitisch motivierte Postenbesetzungen im BVT bestätigte Sobotka nicht. Man habe immer nach den bestqualifizierten Menschen gesucht. Die seien dann auch zum Zug gekommen.

Zweite Auskunftsperson war Michaela K. Die frühere Leiterin der Rechtsabteilung wollte trotz hartnäckiger Versuche der Opposition nicht bestätigen, dass ihre Expertise vom Kabinett bzw. vom damaligen Innenminister für den Wahlkampf 2017 missbraucht worden sei. Die drei Oppositionsparteien beriefen sich auf Emails, in denen das Sobotka-Kabinett von Michaela K. unter dem Stichwort "KBM-Auftrag" Informationen für den ÖVP-Wahlkampf geordert hatte.

Die Zeugin erinnerte sich an eine Besprechung zum neuen Anti-Terror-Gesetz in Frankreich. Es sei darum gegangen, ob man auch in Österreich gewisse Punkte daraus implementieren könne, um Sicherheitslücken zu schließen. Sie habe als Leiterin der Rechtssektion Problemfelder in der österreichischen Rechtsordnung erarbeitet sollen. "Das war für mich ein normaler Arbeitsauftrag."

Auf die Frage, ob es üblich gewesen sei, dass solche Aufträge für ein Wahlprogramm erteilt werden, antwortete sie: "Meine Aufträge waren so zu erfüllen, dass sich ein Mehrwert daraus ergibt. Ich sehe meine Verantwortung darin, den Schutz der Österreicher zu erhöhen." Sie habe nicht für die ÖVP, sondern für den Innenminister Aufträge erfüllt und "der Minister ist immer noch für die innere Sicherheit zuständig und für mich das oberste Organ". So habe sie den Auftrag gesehen. "Ich habe meinen Auftrag nicht für die ÖVP erfüllt, sondern für den Herrn Bundesminister und die Bürger von Österreich." "Ein Minister bleibt auch im Wahlkampf Minister. Mich hat als Beamtin der Wahlkampf nicht zu interessieren", so K.

"Keine Schmutzwäsche waschen"

Die Zeugin überraschte mit der Aussage, das BVT verlassen zu haben, weil die Zusammenarbeit mit ihrem Vorgesetzten "unerträglich" geworden sei. Sie wolle keine Schmutzwäsche waschen, aber mit ihrem unmittelbaren Chef versteht sie sich gar nicht, weshalb sie ihren früheren Bereich, der ihr sehr ans Herz gewachsen war, aufgegeben habe.

K. sagte zudem, dass Daten im BVT jetzt besser aufbewahrt werden, nachdem im Ausschuss vor Monaten bekannt geworden war, dass es im Bundesamt zu wenige Tresore gebe. Auch die Schulung der Mitarbeiter auf diesem Gebiet sei inzwischen verbessert worden, sagte K.

Keine Wahlkampf-Hilfe des BVT für die ÖVP. Damit lässt sich indes die Aussage von Manuel S. im BVT-Untersuchungsausschuss Dienstagnachmittag ziemlich simpel zusammenfassen. Auch wenn es die Opposition noch so forsch versuchte, der frühere Polizeireferent Sobotkas ließ sich von seiner Position nicht abbringen.

S., heute Gruppenleiter im Bundeskriminalamt, war zur Wahlkampf-Zeit einer der Polizeireferenten des Ressortchefs und der Zuständige für den Kontakt zum Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Wenn er von dort Informationen wollte, hat er das "zum Teil" selbst entschieden. "Nicht wirklich" habe es entsprechende Anweisungen des Ministers gegeben.

Während die Aussage der früheren Leiterin der Rechtsabteilung im BVT K. davor eher nahe gelegt hatte, dass es auch ein Ansuchen um inhaltlichen Support im Wahlkampf gegeben hatte, bestritt dies S. vehement. Es sei etwa um Informationen zum französischen Anti-Terror-Paket gegangen: Wörtlich sprach er von "juristischer Feinarbeit".

Dass man die fachliche Expertise des BVT gesucht habe, liegt für S. auf der Hand. Schließlich habe es zur damaligen Zeit überall "gescheppert". Die Inhalte, die zurückgekommen seien, hätte man aber gar nicht für eine Kampagne benützen können: "Mit sowas kann man nicht wahlkämpfen." S. sollte es wissen. Er ist ÖVP-Mitglied, ÖAAB-Funktionär und Obmann der Volkspartei in einer Gemeinde im niederösterreichischen Bezirk Amstetten. Dass es Amtsmissbrauch gewesen wäre, hätte ein Kabinettsmitglied Wahlkampf-Infos vom BVT angefordert hat, hält S. für möglich.