Einen Tag vor dem großen Maiaufmarsch der SPÖ, der erstmals von Pamela Rendi-Wagner angeführt wird, will die türkis-blaue Koalition die Details ihrer Steuerreform präsentieren. Am Dienstag wollen Kanzler, Vizekanzler, der Finanzminister und dessen Staatssekretär in einer großen Pressekonferenz vor die Öffentlichkeit treten. Die allersten Nutznießer der geplanten Entlastung ab 1. Jänner 2020 sind die Geringverdiener, also die Wähler von FPÖ und SPÖ, die allenfalls auch am 1. Mai auf die Straße gehen.

Nach Informationen der Kleinen Zeitung schwebt der türkis-blauen Koalition eine Entlastung in Höhe von 6,5 Milliarden Euro vor. Das ist zwar deutlich weniger als die von ÖVP-Chef Sebastian Kurz im Wahlkampf angekündigten zwölf Milliarden, aber deutlich mehr, als bisher kolportiert worden war. Zuletzt war immer von 4,5 Milliarden Euro die Rede.

Wo man die zusätzlichen zwei Milliarden gefunden habe? In Regierungskreisen heißt es dazu, eine Milliarde sei bereits in dem nach Brüssel entsandten Stabilitätspakt enthalten. Die zweite Milliarde soll im Zuge der in den nächsten Wochen startenden Verhandlungen für das geplante Doppelbudget 2020/1 gefunden werden. Was das konkret bedeutet, in welchen Bereichen womöglich signifikant eingespart werden soll, wird noch unter Verschluss gehalten.

Geringerverdiener zahlen geringe SV-Beiträge 

Was aber fix ist: In einem ersten Schritt sollen ab 1. Jänner 2020 die untersten Einkommen entlastet werden, also jene zwei Millionen Österreicher, die keine Steuern zahlen. Konkret soll dies über eine Senkung der Krankenversicherungsbeiträge in Ausmaß von 700 Millionen Euro erreicht werden. Nutznießer dieser Maßnahme sind die Geringverdiener, die wegen ihres geringen Einkommens ansonsten nicht von einer Lohnsteuersenkung profitieren würden. Der Einnahmenverlust soll den Sozialversicherungen aus dem Bundesbudget ersetzt werden. Die in Aussicht gestellte Staffelung der Steuertarife soll erst 2021 in Kraft treten. Noch nicht geklärt ist, ob die Körperschaftssteuer gesenkt wird oder andere Maßnahmen ins Auge gefasst werden.

Koalition überhäuft sich mit Selbstlob

Mit Selbstlob überhäuft sich die Regierung. Kanzler Sebastian Kurz erklärt, die Koalition gebe „den Menschen zurück, was ihnen der Staat über viele Jahre weggenommen hat“. Vizekanzler Heinz-Christian Strache ergänzt, es handele sich um eine Steuerreform „mit einem sanierten Haushalt“. Finanzminister Hartwig Löger spricht von einer „Steuerentlastung mit Hausverstand“. Und Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs meint: „Wir erreichen dieses Ziel, ohne die Menschen durch neue Steuern zu belasten.“

ÖGB und SPÖ kritisieren Ankündigungspolitik

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian bemängelt, dass häppchenweise unkonkrete Zahlen präsentiert würden, aber immer noch keine Fakten auf dem Tisch lägen. SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer spricht von einer "häppchenweise Ankündigungs- und Überschriftenpolitik".

Katzian verweist darauf, dass die Arbeitnehmer für 80 Prozent der Steuern aufkommen. Statt dieser Ungerechtigkeit entgegen zu wirken, spiele die Regierung nahezu täglich mit neuen, unkonkreten Zahlen.

Auch Krainer kritisiert, dass man von der seit Monaten angekündigten Steuerreform nichts wisse. Bekannt sei nur, dass die Werbung dafür bereits 700.000 Euro gekostet habe.

Kritisch sieht Katzian auch die Ankündigung, eine Steuerreform ohne wirkliche Gegenfinanzierung durchzuziehen. Das angekündigte Sparen im System bedeutet meist "Kürzungen bei Gesundheit, Bildung und Sozialleistungen. Davon profitieren ganz wenige. Der Großteil bezahlt sich dann die angebliche Entlastung durch höhere Kosten oder geringe Qualität beispielsweise im Schulsystem oder beim Arztbesuch selbst", warnt Katzian.

Als "gefährliche Drohung" wertet auch Krainer das angekündigte Sparen im System. "Das hat bis jetzt bedeutet: Kürzungen bei der Mindestsicherung, bei Arbeitsmarktprogrammen oder bei Gewaltschutz von Frauen. Großzügig ist die Regierung nur, wenn es um ihre Ministerbüros und Regierungs-Werbung geht", meint Krainer.

Auch JETZT-Klubobmann Bruno Rossmann fordert die Regierung auf, die Karten auf den Tisch zu legen, "von den Entlastungsmaßnahmen bis hin zur Gegenfinanzierung". Da die Finanzierungslücke bereits vor der Erhöhung des Volumens bei über zwei Milliarden Euro lag, befürchtet auch Rossmann, "dass es zu tiefen Einschnitten im Sozialsystem kommen wird".