Seit dem Siegeszugs des Fernsehens in den siebziger Jahren glich in vielen Familien der Wahlsonntag einem Ritual. Tagsüber ging man wählen. Nach dem obligaten Schnitzel gab es vielleicht noch einen Spaziergang, und auch weniger politische Interessierte nahmen dann gegen 17 oder 18 Uhr, wenn das letzte Wahllokal geschlossen wurde, vor dem Fernsehgerät Platz, um in fiebriger, freudiger oder verzweifelter Anspannung aus dem Mund des Hochrechners die ersten, zumeist sehr validen Trends zu erfahren. Zur Zeit im Bild-1 war der Abend zumeist gelaufen. Der Innenminister verkündete auf Basis der ausgezählten Stimmen das vorläufige Endergebnis, und ein Teil der Fernsehzuschauer konnte dann nahtlos zum „Tatort“ übergleiten.

„Ich habe keine Ahnung, wie der Wahlabend ablaufen wird“, bekennt Christoph Hofinger, der Hochrechner der Nation, im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. „Ich weiß nur eines: Es wird keine Hochrechnung, wie wir sie seit Jahrzehnten kennen, geben.“ Innenministerium und Bundeswahlbehörden wollen unter dem Eindruck der Wiederholung der Bundespräsidentenwahlen auf Nummer sicher geben und haben jetzt vereinbart, dass die ersten Ergebnisse erst um 23 Uhr, also sechs Stunden nach Wahlschluss, veröffentlicht werden. Zu diesem Zeitpunkt schließen in Italien die letzten Wahllokale. Nur ganz wenige EU-Länder wollen bis 23 Uhr zuwarten.

„Wir versuchen derzeit zu klären, welche Möglichkeiten bestehen, die Öffentlichkeit bald nach Wahlschluss zu informieren“, erklärt ein sichtlich ratloser Hofinger am Telefon. „Es ist mit großen Herausforderungen verbunden - keine Ahnung, wie der Wahlabend abläuft.“ Hofingers Hochrechnungen basieren auf Detailergebnissen, die aus allen Landesteilen im ORF-Studio eintrudeln, diesmal sollen sie erst um 23 Uhr dem Hochrechner übermittelt werden. Die Idee, sich die Informationen ganz offiziell und legal über Wahlzeugen zu holen, hat man wieder verworfen. Eine Möglichkeit wären Exit-Polls, seit der Wien-Wahl hält sich die Lust über ein solches Experiment in Grenzen: 2015 ging man nach Wahlschluss von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Michael Häupl und Heinz-Christian Strache aus, eine Stunde später lag Hofingers erste Hochrechnung vor, die sich mit em Endergebnis weitgehend deckte: Häupl gewann mit einem Vorsprung von zehn Prozentpunkten vor dem FPÖ-Chef.