Es geht um einen Kompromiss, den eine Sondersynode der evangelischen Kirche morgen in der Frage "Trauung für alle" finden will. Doch das dürfte nicht so einfach sein. Mit den Superintendenten der Diözesen Oberösterreich, Gerold Lehner, und Niederösterreich, Lars Müller-Marienburg, haben sich zuletzt Vertreter unterschiedlicher Linien in dieser Frage zu Wort gemeldet. "Die Zeichen stehen alle auf Kompromiss", sagte Lehner den "OÖ Nachrichten", der dem Nein-Lager angehört. Sein Amtskollege - Müller-Marienburg steht offen zu seiner Homosexualität - meinte wiederum im "Kurier": "Ein Kompromiss ist an dieser Stelle fast unmöglich."

Laut dem Stimmungsbild, das im Auftrag der Synode in den vergangenen Wochen in den Gemeinden erhoben wurde, zeigt sich jedenfalls, dass zwei Drittel (64,7 Prozent) in Österreich für die "Trauung für alle" sind. In der Steiermark liegt der Anteil der Befürworter sogar bei 70 Prozent. Einzige Ausnahme: Oberösterreich. Hier sind zwei Drittel dagegen. 170 der insgesamt 191 Gemeinden österreichweit machten mit.

Jutta Henner, evangelische Theologin und Leiterin der Österreichischen Bibelgesellschaft, wies in der Ö1-Sendereihe "Praxis - Religion und Gesellschaft" am Mittwoch auf die der Kontroversdebatte zugrunde liegende Frage hin, wie die Bibel zu verstehen ist. Sowohl die Befürworter als auch die Gegner einer "Trauung für alle" würden sich auf die Schrift berufen. Die Gegner würden Passagen wie jene im Römerbrief des Paulus wörtlich nehmen, wonach es ein widernatürliches Verhalten sei und der Schöpfungsordnung widerspreche, wenn "Männer bei Männern liegen". Die Befürworter würden - so Henner - mit der grundlegenden Barmherzigkeit Jesu argumentieren, mit dessen Option für Randgruppen und Bereitschaft, aus Menschenfreundlichkeit auch Regeln außer Kraft zu setzen.