Die türkische Anklage wirft dem österreichischen Journalisten Max Zirngast vor, der "Ankara-Verantwortliche der illegalen bewaffneten Organisation TKP/K" zu sein. Dies teilten die Aktivisten der Solidaritätskampagne #FreeMaxZirngast in einer am Sonntag auf ihrer Homepage veröffentlichten ersten Einschätzung zu der 123-seitigen Anklageschrift mit.

Demnach handle es sich dabei um ein "abstruses Konstrukt". Unterschiedlichen staatlichen Stellen zufolge gebe es keinen Beweis, dass die TKP/K tatsächlich "terroristisch" sei, beziehungsweise ob sie überhaupt existiere. Die TKP/K finde sich weder auf der "Liste der Terroristen" des türkischen Innenministeriums noch auf der "Liste der aktiven Terrororganisationen" des Polizeigeneraldirektorats der Türkei, so #FreeMaxZirngast. Dem Angeklagten könne auch keine organische Verbindung zu der Organisation nachgewiesen werden, so die Aktivisten.

Beschattet und abgehört

Aus dem Dokument gehe deutlich hervor, dass Zirngast über zwei Monate lang beschattet und über fünf Monate hinweg abgehört worden sei, hieß es. Zur Beweisführung seiner angeblichen Verbindung zur TKP/K würden unter anderem Überweisungen an Freunde sowie beschlagnahmte Bücher und Druckwerke, die sich in Besitz des Angeklagten befänden, herangezogen. Darunter seien u.a. auch Bücher des türkischen Kommunisten Hikmet Kivilcimli (1902-1971). Diese seien in der Türkei jedoch nicht verboten, erklärte #FreeMaxZirngast.

Nach Einschätzung der Aktivisten läuft die Anklageschrift "in weiten Teilen sogar jeder Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit sowie zuweilen gar von Logik" entgegen. "Wir verlangen die sofortige Aufhebung aller Auflagen, die über Max Zirngast verhängt wurden sowie die Einstellung des Verfahrens gegen ihn inklusive eines vollständigen Freispruches in allen Anklagepunkten", hieß es auf der Webseite der Kampagne.

Zirngast selbst hatte in einer am 28. Dezember veröffentlichten Videobotschaft die Anklageschrift als "haltlos" und "wie erwartet, großteils lächerlich und bisweilen lustig" bezeichnet. Sein Engagement für Kinder- und Frauenrechte sowie Bildung werde einerseits als begrüßenswert qualifiziert, gleichzeitig sollten die Aktivitäten nach Ansicht der Anklage dazu dienen, Personen für die politische Arbeit der TKP/K zu rekrutieren.

Der 1989 geborene Steirer studiert seit 2015 Politikwissenschaft an der Technischen Universität des Nahen Ostens in Ankara und schreibt für verschiedene Medien in der Türkei und im Ausland, darunter das deutschsprachige linksradikale Magazin "re:volt". Dabei setzte er sich kritisch mit dem Verhältnis der Türkei zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK auseinander und verfasste regierungskritische Texte.

Nach Ansicht der Anklage "delegitimiere" Zirngast in Schriften die türkischen Sicherheitskräfte und "verharmlose" die YPG, berichtete #FreeMaxZirngast. Die Türkei betrachtet die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) als Verbündete der in der Türkei verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und damit als Terrororganisation.

Zirngast war im September in der Türkei in Haft genommen worden und kam am 25. Dezember unter Auflagen frei. Bis zu Prozessbeginn am 11. April 2019 ist ihm die Ausreise aus der Türkei verboten. Bei einer Verurteilung drohen Zirngast bis zu zehn Jahre Haft.