Gleich zu Beginn der Sendung wurde Pamela Rendi-Wagner damit konfrontiert, dass sie eine Quereinsteigerin in der Politik und ihrer Partei ist. Wie authentisch ist es, beim SPÖ-Parteitag das Auditorium mit dem traditionellen Gruß der Sozialdemokraten "Genossinnen und Genossen" anzusprechen? Die rote Neo-Chefin erklärte den Gruß mit der langen Geschichte der Sozialdemokratie, deren Sprache sie sprechen wolle.

Die SPÖ drifte nach links, die Wählerschaft aber nach rechts - so lautet die Bestandsaufnahme von Gastgeberin Claudia Dannhauser. Wie sollte diese Kluft zwischen Wählern und Funktionären geschlossen werden? Rendi-Wagner verwies auf ein breites Spektrum innerhalb der roten Klientel, und diese Breite solle auch beibehalten werden. Traditionell sei die SPÖ aber natürlich eine Mitte-Links-Partei. Wer aber in der Flüchtlingsfrage mehr Hilfe vor Ort fordere, sei nicht links oder rechts, sondern schlicht vernünftig.

Zudem erwarte, dass die Arbeitnehmer zu ihrer Partei zurückkehren, sobald die Sozialpolitik der Koalition spürbar wird. In diesem Zusammenhang kritisierte sie in der ORF-"Pressestunde" unter anderem die Reform der Mindestsicherung, die am Rücken der Schwächsten, auch der Kinder ausgetragen werde.

Kleine-Chefredakteur Hubert Patterer, der mit Dannhauser die Fragen stellte, erinnerte an patriarchale Strukturen in der SPÖ. Ex-Kanzler Franz Vranitzky warnte Rendi-Wagner zuletzt: Die alte Männerwelt in der Partei sei noch sehr dominant. "Wo ist die alte Männerwelt denn nicht dominant", konterte die SPÖ-Chefin. Sie kenne dieses Phänomen seit dem ersten Tage ihres beruflichen Daseins. Ergänzend verwies sie aber auf ein ausgeglichenes Verhältnis weiblicher und männlicher Nationalratsabgeordneter in der SPÖ.

Sieben Prozent weibliche Bürgermeisterinnen in der Partei seien Rendi-Wagner allerdings zu wenig. Zudem erneuerte sie auch ihr Bekenntnis zum Feminismus - nach innen wie nach außen.

Den 12-Stunden-Tag attackierte die SPÖ-Chefin erneut. Work-Life-Balance sei wichtig, weil es um die Gesundheit der Arbeitnehmer gehe. Vor dem Hintergrund der voranschreitenden Digitalisierung forderte sie im Gegensatz eine 35-Stunden-Woche. Dabei müsse Arbeit fair verteilt sein, unterstrich sie. Voraussetzung dafür sei eine ebenso gerechte Bildungspolitik. Die starke Sozialdemokratie der 70er-Jahre habe es ihr erst ermöglicht, Karriere zu machen, obwohl sie im Gemeindebau aufgewachsen ist und ihre Mutter alleine für sie aufkommen und sorgen musste.

Hubert Patterer erkundigte sich nach der Diagnose Rendi-Wagners für die Verluste und Niederlagen der Roten in der jüngeren Vergangenheit. Den Grund für den Verlust der Kanzlerschaft sieht sie fast ausschließlich in der Flüchtlingsfrage. ÖVP und FPÖ hätten die Ängste der Menschen zu ihrem Vorteil ausgenutzt. Kanzler Kurz hätte als Außenminister schon Jahre davor entsprechend handeln können, habe das aber verabsäumt. 

Um als Sozialdemokratie wieder reüssieren zu können, solle es künftig niemanden mehr geben, der aus Einzelinteressen mit gewissen Punkten an die Öffentlichkeit gehe, meinte Rendi-Wagner, ohne konkreter werden zu wollen. Von einer Flügeldiskussion hält sie nichts. Sie selbst würde sich auch in keine Schublade stecken lassen. Dass die Vertreter des rechten Flügels wie der burgenländische SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil die schwächsten Parteitagsergebnisse erzielt haben, findet die Vorsitzende nicht so schlimm: "Alles über 80 Prozent Zustimmung ist positiv."

Warum die SPÖ ein Kopftuchverbot für den Kindergarten mittragen, in Schulen aber nicht, erklärte Rendi-Wagner so: Kleinkinder dürften nicht zu Derartigem gezwungen werden. Verbote für Jugendliche lehne sie aber ab. Hier würde sie lieber auf integrative Maßnahmen setzen. Dass die Regierung zugleich Hunderte Sozialarbeiter für Schulen abbaut, bezeichnet die SPÖ-Chefin als zynisch. 

Was die Flüchtlingsproblematik betrifft, sagte Rendi-Wagner: "Integration vor Zuzug." Sie formuliere in der Causa ähnliche Forderungen wie die Regierung, konstatierte Patterer. "Ja", bestätigte sie, aber Lösungen sehen sie bisher nicht. Vor allem bessereRückführungsabkommen müssten verhandelt werden. Auch die Notwendigkeit eines effektiven Außengrenzschutzes in der Union sehe sie. Grenzen innerhalb der Union lehnt die SPÖ-Chefin hingegen ab.

Wie sollte man dem Niedergang der Sozialdemokratie in Europa begegnen? Rote Kernthemen seien nach wie vor wichtig, würden aber nicht auf den Alltag der Menschen herunter gebrochen. Das sei das Problem, sagte Rendi-Wagner. Als Beispiel zog sie das teure Wohnen heran. Die Senkung der Mieten (Abschaffen der Mehrwertsteuer) sei ein Gebot der Stunde, auch die Abschaffung von Maklergebühren forderte sie. In der nächsten Nationalratssitzung werde sie einen entsprechenden Antrag einbringen um diese Forderungen zu forcieren.

Die Mindestsicherung wird gekoppelt an den Erwerb der deutschen Sprache, was die SPÖ als "schwarze Pädagogik" bezeichnet. Sei das nicht vernünftig, wollte Patterer wissen? Das verneinte Wagner nicht per se, bezeichnete es aber als zynisch, zugleich Deutschkurse für Migranten zu reduzieren.

Wie gerecht ist es für eine bekennende Feministin, dass Frauen fünf Jahre kürzer arbeiten müssen als Männer? Solange etwa Kindererziehungszeiten oder Pflegekarenz nicht voll angerechnet würden und Frauen geringere Löhne für ihre Arbeit erhielten, sei sie nicht bereit darüber zu verhandeln. Was aber aktuell ohnehin nicht am Tapet sei.

Zur aktuellen Debatte über Homöopathie sagte Rendi-Wagner abschließend: "Ich haben noch nie homöopathische Präparate auf ein Rezept geschrieben." Als Schulmedizinerin halte sie sich an wissenschaftliche Evidenzen.