Die neue Spitzenkandidatin der Wiener Grünen, Birgit Hebein, hat am Samstag erstmals das Wort an die Parteibasis gerichtet - bei der 80. Landesversammlung der Stadtpartei. Sie bedankte sich für das Vertrauen und versicherte: "Meine Freude ist riesig." Die Koalition mit der SPÖ will sie fortsetzen, wie sie beteuerte - wobei sie die grünen Positionen künftig noch deutlicher artikulieren möchte.

Zum Auftakt setzte es angesichts des Jubels für die neue Frau an der Spitze eine kleine Warnung: "Ihr dürfts nicht soviel klatschen, sonst werde ich mir (Bundessprecher, Anm.) Werner Kogler zum Vorbild nehmen und reden, reden und reden." Hebein beteuerte, dass sie sich über den Zuspruch sehr freue: "Das berührt mich ungemein." Sie machte allerdings auch keinen Hehl aus der Tatsache, dass sie "großen Respekt" vor den bevorstehenden Aufgaben hat.

Zunächst würdigte sie ihre Mitbewerber im Rennen um den ersten Listenplatz: "Wir sind fair miteinander umgegangen. Das ist großartig." Vorrednerin Maria Vassilakou - der sie kommendes Jahr als Vizebürgermeisterin folgen wird - dankte sie für die "enorme Arbeit bisher". Und sie zeigte sich überzeugt: "Leute, wir sind die einzige ökologische und solidarische Alternative in dieser Stadt."

Genau vor acht Jahren und einer Woche habe Rot-Grün in Wien begonnen: "Wir können schon auf einige Erfolge zurückblicken." Hebein verwies etwa auf die 365-Euro-Jahreskarte: "Es gibt das, weil es uns Grüne gibt." Auch der jüngste Beschluss der neuen Bauordnung, in der der Fokus auf den sozialen Wohnbau gelegt wird, blieb nicht unerwähnt ("Leute, das ist historisch!").

Die Mariahilfer Straße benutzt die Grün-Gemeinderätin nach dem Umbau (zur Fußgänger- bzw. Begegnungszone, Anm.) hingegen nicht mehr so oft wie vorher, wie sie verriet - da sie dort nicht mehr schnell radeln kann. Aber dies war nicht als Kritik, sondern als Lob an dem Projekt gedacht. Denn die Straße sei ein "Raum für alle" geworden, freute sie sich. Vergleichbare Strecken solle es künftig in jedem Bezirk geben, befand sie.

"Grün heißt, weniger Abgase, weniger Feinstaub", hielt sie fest. Dementsprechend erteilte sie dem Lobautunnel eine klare Absage. Eine Autobahn durch ein Naturschutzgebiet sei - "ich muss aufpassen, dass ich höflich bleib" - nicht "vernünftig". Sie appellierte an Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ), hier "Verantwortung" zu übernehmen und das Vorhaben zu stoppen.

Außerdem wisse man, dass 250.000 Pendler "reinrauschen" in die Stadt. "Sobald wir das Thema City-Maut erwähnen, kommen wir wieder in eine Verteidigungshaltung", zeigte sie sich betrübt: "Leute, wir können mit viel mehr Selbstbewusstsein in so eine Diskussion reingehen." Die Maßnahme ist laut Hebein nicht gegen Pendler gerichtet. Denn auch diese würden im Stich gelassen, weil Niederösterreich keine Alternativen ermögliche.

Ein Grundsatz ihrer Politik sei auch, dass jeder Mensch gleich viel Wert sei: "Das lassen wir uns nicht wegverhandeln." Angriffen gegen die liberale Demokratie "durch Islamismus, Rechtsextremismus oder die gegenwärtige Bundesregierung" müsse man entschieden entgegentreten. Die FPÖ, so konstatierte sie zum Beispiel, hätte es innerhalb eines Jahres geschafft, die Arbeiterinnen und Arbeiter zu verraten.

Es gebe aber keinen Grund zur Panik, so Hebein: "Die meisten Menschen wollen nicht, dass Nazis durch unsere Stadt rennen. Die meisten Menschen wollen in Frieden miteinander leben und wir werden dazu beitragen." Viel lernen könne man etwa von den deutschen Grünen, deren "Optimismus, Klarheit und Mut" die frischgebackene Spitzenkandidatin hervorhob.

Die Koalition mit der SPÖ bis zum Ende fortzusetzen, sei eine "Frage der Vernunft". Zu jeglichen Spekulationen und Spaltungsversuchen sagte sie: "Nicht mit uns." Wobei sie allerdings hinzufügte: "Möglicherweise werden wir klarer sagen, wo wir als Grüne stehen."

Auch die eigene Partei - deren Chefin sie formal jedoch nicht ist - möchte sie ein "bisschen umbauen": "Ich möchte, dass wir schlagfertiger werden, dass wir mehr Aktionismus machen können." Wien, so sagte sie zum Abschluss, sei eine "bemerkenswerte, klasse, leiwande Stadt", das solle jedenfalls erhalten bleiben.

Dass Hebein bei der nächsten Wien-Wahl für die Grünen in der Spitzenposition ins Rennen geht, ist Ergebnis eines völlig neuen Abstimmungsprozederes. Anstatt in einer Landesversammlung haben die Wiener Ökos die Listenerste mittels Briefwahl gekürt, wobei sich Hebein gegen vier Kandidaten durchsetzen konnte.

In der heutigen Landesversammlung soll der Modus für die Erstellung der restlichen Liste beschlossen werden - wobei die Diskussion am Nachmittag dazu unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Diese Kandidatenkür, so viel geht aus den dazu vorliegenden Anträgen hervor, wird wohl weiterhin im Rahmen einer Landesversammlung erfolgen.

Grazer als Wiener Landessprecher

Die Wiener Grünen haben jetzt auch einen neuen Landessprecher: Bei der Landesversammlung in Wien-Floridsdorf wurde Peter Kristöfel am Samstag als Nachfolger des zurückgetretenen Joachim Kovacs gewählt - mit 56,7 Prozent der Stimmen. Er konnte sich gegen zwei Gegenkandidaten durchsetzen.

Der gebürtige Grazer Kristöfel (41), der nach eigenen Angaben "seit dem Kindergarten" in Wien wohnt, ist seit 2015 Bezirksrat in Döbling. Außerdem war der Mathematik- und Physiklehrer zuletzt in den Erneuerungsprozess der Wiener Partei involviert. Seine Rolle sieht er darin, intern auf die Partei einzuwirken, "um mit einer geeinten Stimme nach außen aufzutreten". Ob Kristöfel bei der Spitzenwahl für die spätere Siegerin Birgit Hebein gestimmt hat, wollte der neue Landessprecher der APA nicht verraten.

Kristöfel setzte sich bei der Entscheidung gegen Menschenrechtsanwalt Georg Bürstmayr und Nicolas Pawloff, Sohn von Grünen-Urgestein Freda Meissner-Blau, durch. Sie erreichten nur 25,77 bzw. 17,53 Prozent der gültigen Delegiertenstimmen.